Berlins Aufschrei
„Quatsch, Unsinn, Geisterfahrt“: das typische Politgezeter: AZ-Aktuell-Ressortchef Frank Müller über die Rentenideen der Bundesbank
Bitte vorsichtig weiterlesen, es ist etwas Furchtbares geschehen: Die Bundesbank hat es gewagt, ein paar Gedankenspiele darüber anzustellen, in welcher Verfassung unser Rentensystem in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts sein könnte. Und sie hat es gewagt, offen auszusprechen, dass die bisherige Verteilung von Einnahmen und Ausgaben in der Rentenkasse nur zu halten ist, wenn wir im Jahre 2060 nicht mehr bis 67 arbeiten, sondern bis 69.
Was sagen Sie? Das haben Sie sich schon gedacht? Schließlich sei ja klar, dass wir nicht alle immer älter werden können, ohne dass sich auch das Rentensystem anpasst, meinen Sie? Und dann haben Sie sich vielleicht noch kurz zurückgelehnt und sich, so wie ich, gedacht: Was kümmert mich das Jahr 2060...
Schön, wenn Sie das auch so entspannt und vernünftig sehen. Damit haben wir nämlich einem großen Teil der Politik etwas voraus. Denn das Gezeter, das angesichts der nüchternen Analyse anhob, war leider von der Art, die einen manchmal am Berliner Betrieb verzweifeln lässt. „Quatsch“, „unsinnige Vorschläge“, „geht an der Lebenswirklichkeit total vorbei“, „sozialpolitische Geisterfahrt“: Das ist eine Auswahl der Politfloskeln, die gestern in Berlin herausgebellt wurden – übrigens von Politikern aller Parteien. Liebe Politiker, nirgendwo steht, dass es im Wahlkampf verboten ist, über den Wahltermin hinaus zu denken. Gut, dass es Experten bei der Bundesbank gibt, die das übernehmen. Und gut, dass im Bundesbank-Gesetz steht, dass das Institut an keine Weisungen aus der Politik gebunden ist.
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