Berlin: Ausweitung von ESM-Hilfen "illusorisch"
Die Bundesregierung hat eine mögliche Ausweitung des Euro-Rettungsschirms ESM mit Hilfe privater Investoren auf bis zu zwei Billionen Euro als "völlig illusorisch" bezeichnet. Zwar werde unter den Euro-Ländern über eine höhere Schlagkraft durch eine Art "Hebelung" diskutiert.
Berlin/Brüssel - Die in Medien genannten Zahlen seien aber in überhaupt keiner Form nachvollziehbar, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus, am Montag in Berlin. Einer möglichen "Hebelung" müsste auch der Bundestag zustimmen. Die Opposition warnte vor wachsenden Risiken für den Steuerzahler.
Wie hoch die mögliche Beteiligung privater Investoren bei ESM-Hilfen sei, hänge auch vom Einzelfall ab. Kotthaus stellte klar, dass es in jedem Fall bei der deutschen Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro bleibe. Nach "Spiegel"-Informationen sollen im Ernstfall durch die "Hebelung" zwei Billionen Euro verfügbar sein. Dies wäre das Vierfache des geplanten Nothilfevolumens des ESM. Ziel sei, auch Schwergewichte wie Spanien und Italien retten zu können.
Ein Sprecher der EU-Kommission bestätigte in Brüssel, dass über entsprechende Möglichkeiten gesprochen werde. "Wir sind in einer Übergangsphase zwischen EFSF und ESM." Wann entschieden werden soll, ist offen. Der ESM mit einem Kreditrahmen von 500 Milliarden Euro soll nach dem Willen des Eurogruppen-Vorsitzenden Jean-Claude Juncker am 8. Oktober in Luxemburg aus der Taufe gehoben werden.
Eine "Hebelung" ist schon beim bestehenden und bald auslaufenden Rettungsfonds EFSF vorgesehen. Eine Teilabsicherung und Beteiligung von Privatinvestoren bei EFSF-Hilfen war vor einem Jahr auch vom Bundestag gebilligt worden. Die Schlagkraft des EFSF wurde bisher aber nicht über einen "Hebel" ausgeweitet, weil der Fonds bisher keine Anleihen von Krisenstaaten aufkaufte. Private Investoren sowie finanzstarke Staatsfonds zeigten sich bisher zudem zurückhaltend.
Sollten die Euro-Länder sich auf eine "Hebelung" des ESM einigen, werde selbstverständlich auch der Bundestag einbezogen, sagte Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die Opposition fordere daher Selbstverständlichkeiten. Die Beteiligung des Bundestages sei selbstverständlich politisch und juristisch geboten.
Die Leitlinien für den Dauerfonds ESM, die die Instrumente und Arbeitsweise ähnlich wie beim EFSF beschreiben, enthalten noch keine "Hebelung". Der Haushaltsausschuss des Bundestages will diese Woche über die Leitlinien entscheiden. Ob es bei einem Votum nur des Ausschusses bleibt, ist offen. Das Bundesverfassungsgericht will prüfen, ob auch die Leitlinien vom gesamten Plenum bewilligt werden müssten. Hintergrund ist das noch anstehende Hauptsacheverfahren der Karlsruher Richter zum ESM.
Die ESM-Instrumente entsprechen denen des auslaufenden Vorgänger-Rettungsfonds EFSF: Hilfsdarlehen an Euro-Länder für Anpassungsprogramme, vorsorgliche Kreditlinien, Anleihekäufe auf dem Primär- und Sekundärmarkt sowie Darlehen zur Rekapitalisierung von Banken. Genutzt wurden von diesen fünf Instrumenten bisher nur zwei: Hilfsdarlehen an Euroländer sowie Bankenhilfen.
Der Euro-Gipfel hatte Ende Oktober 2011 beschlossen, dass der EFSF teils das Risiko eines Zahlungsausfalls für Schuldtitel gefährdeter Eurostaaten übernehmen kann. Zudem wurde der Weg geebnet für einen Sondertopf, an dem sich Investoren beteiligten können. Dieser Fonds kann dann in Anleihen investieren, die der EFSF teils absichert.
In den der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden ESM-Leitlinien wird unter anderem erläutert, wie sich der ESM selbst Kapital beschafft, um angeschlagenen Euro-Ländern unter strikten Auflagen zu helfen. Von einer Banklizenz für den ESM zur unbegrenzten Refinanzierung mit Zentralbankgeld - wie es einige Euro-Länder fordern und Deutschland strikt ablehnt - ist keine Rede.
Zum ESM-Kapital von 700 Milliarden Euro steuert Deutschland 21,7 Milliarden an Bareinlagen und 168,3 Milliarden Garantien bei. Im Extremfall kann der Bundeshaushalt also mit 190 Milliarden Euro belastet werden. Diese Obergrenze für die deutsche Haftung muss nach der Karlsruher Entscheidung völkerrechtlich sichergestellt werden.