Beraten und verkauft

Die Finanzkrise hat nichts geändert: Noch immer schieben Bankberater ihren Kunden riskante Papiere unter. Der Verkaufsdruck ist sogar noch gestiegen. Ein neues Gesetz soll Anleger schützen
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Protest geschädigter Anleger vor dem Bundestag: Schlechte Beratung kostet die Deutschen jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro, schätzt die Bundesregierung.Foto: dpa
az Protest geschädigter Anleger vor dem Bundestag: Schlechte Beratung kostet die Deutschen jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro, schätzt die Bundesregierung.Foto: dpa

Die Finanzkrise hat nichts geändert: Noch immer schieben Bankberater ihren Kunden riskante Papiere unter. Der Verkaufsdruck ist sogar noch gestiegen. Ein neues Gesetz soll Anleger schützen

Eigentlich wollte Johanna G. ihr Geld sicher anlegen. Einige zehntausend Euro hatte sie im Laufe ihres Lebens beiseite gelegt. Jetzt suchte die 79-Jährige Hilfe bei ihrem Bankberater. Der empfahlt ihr eine ganze Latte an Finanzprodukten – alles vermeintlich „sichere Anlagen“.

Doch das Vermögen von Johanna G. schrumpfte stetig. Irgendwann war mehr als ein Drittel des Geldes weg. Da zog sie verzweifelt die Notbremse. „Als die Frau zu uns kam, war sie den Tränen nahe“, sagt Constanze Hintze. Für den Münchner Finanzdienstleister Svea Kuschel & Kollegen berät sie Frauen bei der Geldanlage.

"Es ist grausam, was da in einigen Filialen passiert"

Fälle wie den von Johanna G. kennt sie zuhauf. Ihr Urteil zur Beratungspraxis in den Banken: „Es ist grausam, was da in einigen Filialen passiert.“ Trotz Finanzkrise, hoher Verluste der Privatanleger und Klagen wegen Falschberatung der Banken: Noch immer werden den Kunden reihenweise hochriskante Produkte verkauft, an denen vor allem einer verdient: die Bank.

„Das Sicherheitsbedürfnis bei den Anlegern ist zwar gestiegen“, sagt Niels Nauhauser, Anlageexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Die Banken verkaufen deshalb aber keine besseren Produkte.“ Stattdessen bieten die Kreditinstitute den Kunden das an, was viel Provision bringt: Fonds, Zertifikate, riskante Hebelprodukte – oft aus dem eigenen Haus. „Zur Bundesanleihe rät ihnen kein Bankberater“, so Nauhauser. „Daran verdient er ja nichts.“

Banker-Kauderwelsch verschleiert die Risiken

Das soll sich künftig ändern. Am Freitag will der Bundestag ein Gesetz verabschieden, das es Anlegern erleichtert, bei einer Falschberatung Schadenersatz zu bekommen. Gegen das Regelwerk laufen die Banken Sturm. Doch nach langem Streit will die Koalition es nun durchdrücken (siehe Info).

Das Gesetz ist nötiger denn je. Denn der Druck, risikoreiche aber für die Bank lukrative Anlagen unters Volk zubringen, hat nach der Finanzkrise noch zugenommen, beobachtet Hanswolfram Dann, der für die „Alte Hasen GmbH“ ältere Anleger berät. Hintergrund: Die Banken haben in der Krise viel Geld verloren. „Jetzt holen sie es über die Kunden wieder rein.“

Die Folge: In den Depots der Anleger liegen Papiere, deren Risiko sie kaum kennen – schon weil sie sie gar nicht verstehen. Das macht ein Beispieaus dem Depot von Johanna G. deutlich. In abstrusem Banker-Kauderwelsch steht dort in der Produktbeschreibung eines Zertifikats: „ Wurde die untere Sicherheitsschwelle während der Laufzeit nicht berührt oder unterschritten, wird die Performance des Underlyings ausgezahlt, mindestens aber ein Betrag von untere Bonusschwelle x Bezugsverhältnis.“

Der Berater hatte Johanna G. das Papier als „sicher“ verkauft. Ergebnis: Es hat ihr 50 Prozent Verlust beschert. Als sie deshalb nachfragte, riet ihr der Banker zur Neuanlage in einem Rohstoffzertifikat. „Riskanter“, meint Expertin Hintze, „geht es kaum“.

A. Jalsovec

Info: Ein Beratungsprotokoll wird jetzt Pflicht

Nach dem Willen der Regierung müssen Banken und Finanzvermittler künftig den Kunden nach einem Anlagegespräch ein Protokoll aushändigen. Damit können die Verbraucher im Zweifel vor Gericht Inhalt und Ablauf des Gesprächs nachweisen.

Das Protokoll muss die persönliche Situation und die Anlagewünsche des Kunden festhalten. Berater und Kunde müssen es unterschreiben. Bei einer telefonischen Beratung muss der Bankmitarbeiter dem Kunden das Protokoll zuschicken. Der Kunde hat dann sieben Tage Zeit, vom Vertrag zurückzutreten.

Diese Regelung wollte die Bankenlobby verhindern. Sie zog zunächst die Union auf ihre Seite. Die lenkte dann aber doch wieder ein. Am Freitag soll das Gesetz durch den Bundestag gehen.

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