Bemühtes Klein-Klein
"Kosmetische Änderungen an einem fehlerhaften System": Anja Timmermann, AZ-Redakteurin, über die Reform der Übertritts-Regelung.
In einem Zeugnis würde über die neuen Übertrittsregelungen stehen: „Hat sich bemüht.“ Heißt leider: Ein gewisser Wille war erkennbar – aber erreicht wurde das Ziel nicht. Mit ein paar kosmetischen Änderungen aufgehübscht wird ein falsches System noch einmal für ein paar Jahre zementiert.
Es ist ja nett, dass die Viertklässler weniger Stress haben sollen durch eine klarere Trennung zwischen Prüfungs- und Lernphasen. An der Tatsache, dass es zu früh ist, Zehnjährige zu selektieren, ändert das rein gar nichts, ob man ihnen ein paar ruhigere Wochen gönnt. Das gleiche gilt für Minimal-Schraubereien an den Notenwert-Kombinationen im Probeunterricht oder die Option, bei möglichen Animositäten des Lehrers externe Gutachter zu befragen: Lauter Klein- Klein-Trostpflaster für die FDP, weil sie ihr Projekt „sechs Jahre Grundschule“ nicht durchbekommen hat. Aber eben nicht ansatzweise der notwendige große Wurf.
Deutschland ist eines der weltweit letzten Länder, das seine Kinder so früh aufteilt; und Bayern eines der letzten Bundesländer, das innerhalb Deutschlands noch so rigoros daran festhält. Der Preis dafür ist eine Abiturientenquote von unter 20 Prozent. Ja, das bayerische Abitur hat einen exzellenten Ruf. Aber auf Dauer wird es sich der Freistaat nicht mehr leisten können, 80 Prozent der Bürger davon fernzuhalten. Nicht in Zeiten, wo schon jetzt qualifizierte Arbeitnehmer rar werden; nicht in einem Land, dessen wichtigster Rohstoff die Bildung ist. Und deswegen wird es irgendwann eine echte Reform geben. Wenn auch die CSU fertig umgedacht hat.