Bei den Österreichern ist die CSU gegen die Maut

Innenminister Herrmann (CSU) verlangt von Österreich eine Aussetzung der Vignettenpflicht ab der Landesgrenze - Neuregelung ab 1. Dezember
Rosenheim - Der „Pickerlstreit“ mit Österreich eskaliert, eine Autobahnblockade ist geplant.: Ob es schon eine Reaktion auf die geplante Maut für Ausländer auf deutschen Autobahnen ist? Österreich will von Dezember an die Vignettenpflicht auf der Inntalautobahn gleich nach der Grenze kontrollieren – nach 16 Jahren Verzicht. Das sorgt für Streit.
Finden die Bundesregierung in Wien und die bayerische Staatsregierung nicht in letzter Minute zueinander, droht am Sonntag die Totalblockade der Inntalautobahn – auf bayerischer und auf Tiroler Seite. Österreich beharrt darauf, vom 1. Dezember an die Vignettenpflicht zwischen der Grenze in Kiefersfelden und der Anschlussstelle Kufstein-Süd der A12 zu kontrollieren. Bisher hatte es darauf verzichtet – wovon vor allem Wintersportler aus Bayern auf ihrem Weg in die Tiroler Skigebiete profitierten.
Am Donnerstag hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Österreich dazu aufgefordert, die Einführung der Maut auf der fraglichen Strecke mindestens bis Ende 2014, besser aber bis Sonmmer 2015 auszusetzen. Der Freistaat Bayern habe niemals in Frage gestellt, dass Österreich das Recht hat, eine Maut zu erheben und Vignettenkontrollen durchzuführen, heißt es in einer Erklärung aus dem Innenministerium. "Allerdings fordern wir gemeinsam mit Tirol eine weitere Aussetzung der Mautkontrollen zwischen der Landesgrenze und Kufstein-Süd bis Sommer 2015, wenigstens aber bis Ende 2014, damit wir wirksame Maßnahmen zum Schutz der Anwohner vor Ausweichverkehren konzipieren und umsetzen können", stellte Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann vor dem Verkehrsgipfel am Freitag in Kufstein klar.
"Der Zeitraum von der Bekanntgabe der geplanten Vignettenkontrollen im Sommer dieses Jahres bis zum geplanten Beginn der Vignettenkontrollen am 1. Dezember 2013 war nicht ausreichend, um entsprechende Maßnahmen treffen zu können. Mit einer Vorlaufzeit von zwei Jahren war es auch im Bereich Lindau - Bregenz möglich, das Auslaufen der Korridorvignette vorzubereiten", so Herrmann weiter.
Im Übrigen habe Österreich selbst seit Einführung der Maut im Jahr 1997 auf die Vignettenkontrollen bis Kufstein-Süd verzichtet, um auf die Verkehrssituation in und um Kufstein Rücksicht zu nehmen. Am Verkehrsgipfel nimmt für die Bayerische Staatsregierung Innenstaatssekretär Gerhard Eck teil. Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer entsendet aus Berlin Ministerialdirektor Dr. Veit Steinle.
Der Verkehrsgipfel soll der Startschuss für eine Übergangsfrist sein, um gemeinsam mit allen Betroffenen eine wirksames Gesamtverkehrskonzept erarbeiten zu können. Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann und die Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe hatten bei einem gemeinsamen Treffen den Verkehrsgipfel initiiert: "Der Freistaat Bayern und das Land Tirol sind sich einig, dass wir für die Region nur das Beste erreichen, wenn alle gemeinsam nach einer Lösung suchen."
Weinger versöhnlich ist da der ADAC: „Die Mautfalle schnappt zu“, betitelt der am Mittwoch eine Mitteilung, die auf die drohenden Kontrollen hinweist. Macht die staatliche österreichische Autobahngesellschaft Asfinag ernst und erwischt einen Autofahrer ohne „Pickerl“, kostet das 120 Euro. Der ADAC und sein österreichischer Partner-Club ÖAMTC forderten Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) auf, die Kontrollen auszusetzen, bis ein länderübergreifendes Verkehrskonzept stehe, „das Rücksicht nimmt auf die Interessen und die Gesundheit der von den Verkehrsverlagerungen belasteten 25 000 Anrainer“.
16 Jahre lang hatte die Alpenrepublik auf dem nur wenige Kilometer langen Autobahnabschnitt auf die Vignette verzichtet, um den Verkehr nicht durch die Orte entlang der Fernstraße zu lenken. Genau das befürchten die Bürger zwischen Oberaudorf und Kufstein aber nun. „Kommt die Maut, werden wir künftig an jedem Wochenende mit Ausweichlern überflutet“, schimpft Kiefersfeldens Bürgermeister Erwin Rinner im „Münchner Merkur“. Unterstützung bekommen die betroffenen Gemeinden im Inntal von hoher Stelle. „Ich bedauere die Uneinsichtigkeit der österreichischen Bundesregierung sehr“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schon vor zwei Wochen, als sich seine Wiener Kollegin Bures erneut weigerte, die Ausnahmeregelung bis zum Sommer 2015 zu verlängern.
Auch die Tiroler Nachbarn sind auf der Seite der Bayern. Die dortige Verkehrsministerin Ingrid Felipe (Grüne) befürwortet die eineinhalbjährige Übergangsfrist. An diesem Freitag soll es in Kufstein einen letzten Einigungsversuch geben. Dann wollen sich Vertreter des Wiener Verkehrsministeriums, der Tiroler Landesregierung und Bayerns Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) mit örtlichen Abgeordneten und Kommunalpolitikern an einen Tisch setzen. Die Asfinag rät schon einmal in einer Zeitungsanzeige: Vignette kleben, Ausnahme vorbei.
Bleibt Wien unnachgiebig, wird es am Sonntag die wohl erste Demonstration auf einer bayerischen Autobahn geben. Das Landratsamt in Rosenheim hat eine Protestaktion der Bürgerinitiative „Keine Maut ab Grenze“ auf der A93 Richtung Süden zugelassen. Auch Tiroler Anlieger wollen die Autobahn für drei Stunden blockieren – in beiden Richtungen. Lange Staus sind am ersten Advent also vorprogrammiert.