Bedrohlicher Riss
Die Deutschen gelten als rechthaberisch und eigensinnig: Matthias Maus, AZ-Chefreporter, über die Rolle Deutschlands in der Euro-Krise
Mit einem Satz hat Helmut Schmidt dieser Tage wieder klar gemacht, was ihn so bedeutend macht: „Die wichtigste Lehre ist“, sagt der 91-Jährige, „dass wir mit den Augen der Nachbarn auf uns schauen.“ Weil wir das zu selten tun, stellen das Land und die Regierung gerade fest, dass Deutschland inmitten einer europäischen Krise steckt, und dass wir in diesem Drama für die anderen keineswegs „die Guten“ sind.
Während sich hierzulande nicht nur die Hass- und Hetzpresse über griechische Buchungstricks und „faule Südeuropäer“ mokiert, taucht jenseits der Grenzen wieder der hässliche Deutsche auf. Besserwisserisch, rechthaberisch und eigensinnig.
In unserer Selbstgerechtigkeit wird gerne übersehen, dass Korruption auch in Deutschland kein Fremdwort ist, dass einer der Hauptakteure im griechischen Bestechungssumpf der Siemens-Konzern war.
Und: Was Deutsche stolz macht, über Parteigrenzen hinweg, dass wir Exportweltmeister waren beispielsweise, das wird anderswo als unfair empfunden. Weil Deutschlands Löhne vergleichsweise niedrig sind, drücken die Produkte die europäische Konkurrenz an die Wand. Dass dieses subjektive Empfinden nur ein Teil der Wahrheit ist, bleibt zweitrangig.
Bedrohlicher ist der Riss, der sich in Europa auftut. Der Riss zwischen Armen und Reichen könnte wirklich gefährlich werden. Wenn Nationalismen die Oberhand gewinnen, dann ist die europäische Einigung keinen Euro mehr wert. Wenn es diese Währung dann überhaupt noch gibt.
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