Beben im Geldbeutel
Tokio - Mit am schlimmsten leiden die japanischen Autohersteller. Nach dem Erdbeben, dem Tsunami und der Atomkatastrophe fehlen Bauteile, der Strom fällt immer wieder aus, viele Mitarbeiter können noch nicht an ihren Arbeitsplatz zurück. Bei Toyota stehen die Bänder noch bis Dienstag still. Nissan lässt die Produktion in drei Werken bis Montag ruhen. Japans Wirtschaft wird gebeutelt – mit Folgen, die auch bei uns zu spüren sein werden.
Höhere Preise für High-Tech in Deutschland. Weil Strom knapp ist und Gebäude zerstört wurden, mussten viele Hersteller ihre Fertigung einstellen. Sony fuhr die Produktion von Blue-Ray-Discs herunter, genauso Toshiba, das auch die Fertigung von Flachbildschirmen vorübergehend einstellte. Auch Chips aus Japan, die manche Hersteller als Vorprodukte kaufen, wurden rar. Deswegen sind die Preise für sie bereits gestiegen. Japanische Hersteller liefern fast die Hälfte der weltweit hergestellten sogenannten Nand-Flashspeicher, die wichtig für Smartphones sind. Die Lieferausfälle bei High-Tech-Komponenten werden auch Verbraucher in Deutschland zu spüren bekommen, sagt Alex Pols vom Branchenverband Bitkom. „Kurzfristig kann man Preiserhöhungen nicht ausschließen.”
Auch der deutsche Maschinenbau erwartet Engpässe bei japanischen Vorprodukten. Es gebe bereits deutliche Lieferprobleme. In Japan werden Spezialgläser und Gestelle für die Optik hergestellt, außerdem Maschinen und Steuerungselemente.
Strom wird teurer. Der Ölpreis ging an den Weltmärkten kurz nach dem Beben in die Knie, weil Japan als einer der größten Ölverbraucher der Welt für seine zerstörten Industrieanlagen vorerst kein Öl brauchen kann. Öl und damit auch Gas und Strom dürften schon bald aber teurer werden. Weil der günstige Atomstrom in Misskredit geraten ist, will Deutschland verstärkt auf regenerative Energien setzen. Zum Nulltarif ist die Energie-Wende aber nicht zu haben. Das bedeutet: Verbraucher müssen sich auf (noch) stärker steigende Preise einstellen. In Japan übrigens rechnen Experten nicht mit einer Umkehr in der Energiepolitik. Zu groß ist die Abhängigkeit vom Atomstrom, der künftig sogar 40 Prozent zur nationalen Energieversorgung beitragen soll.
Tiefschlag für die japanische Autobranche. Elf Prozent der Japaner sind direkt in der Autoindustrie beschäftigt, berichtet Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen. Pro Monat, in dem die Autobauer keine Pkw fertigen können, fällt für die Industrie ein Umsatzverlust von über acht Milliarden Euro an, hat er ausgerechnet. Deutsche Kunden werden aber wohl nicht länger als sonst auf ihre japanischen Autos warten müssen Die meisten der in Europa verkauften Pkw werden auch in Europa hergestellt. Bei Nissan und Honda sind es 80 Prozent, bei Toyota fast alle.
Düstere Prognosen für den Staatshaushalt. Japans Bürger werden noch jahrelang unter den Folgeschäden der Katastrophe leiden, anders als nach dem Beben in Kobe. Damals waren Japans Staatsfinanzen noch relativ gesund, so dass die Regierung ihre Ausgaben kräftig steigern konnte, um die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen. Diesmal geht das wegen des hohen Schuldenstandes nicht. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt hat einen Schuldenberg in Höhe von 200 Prozent der Wirtschaftskraft aufgehäuft. Die Ratingagentur Standard & Poor's beziffert die Kosten für den Wiederaufbau mit rund 114 Milliarden Euro.
Japans Firmen verlieren Kunden. Tausende Produktionsanlagen in Japan sind zerstört. Währenddessen nutzen Firmen in Korea, Taiwan und China die Gunst der Stunde und springen für ihre japanischen Konkurrenten in die Bresche.
Entwarnung für die globale Konjunktur. Eine erneute Delle in der globalen Wirtschaft müssen die Menschen im Rest der Welt nicht fürchten, sagen Experten. Das Institut der deutschen Wirtschaft geht sogar davon aus, dass der Wiederaufbau in Japan zumindest lokal die Konjunktur ankurbeln wird. Die Aktienkurse von japanischen Baufirmen gewannen bereits. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sieht „keine Gefahr” für eine erneute Rezession.
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