Banken treten die Flucht nach vorn an

Selbstregulierung statt harter Hand des Staates: Die Banken wollen die Finanzmarktkrise selbst meistern und so schärfere Gesetze vermeiden. Doch Fachleute sehen in den Vorschlägen nur einen «ersten Schritt».
von  Abendzeitung
Man sieht wieder klar: Fensterputzer bei der Deutschen Bank in Frankfurt.
Man sieht wieder klar: Fensterputzer bei der Deutschen Bank in Frankfurt. © dpa

Selbstregulierung statt harter Hand des Staates: Die Banken wollen die Finanzmarktkrise selbst meistern und so schärfere Gesetze vermeiden. Doch Fachleute sehen in den Vorschlägen nur einen «ersten Schritt».

Die Dauerkrise an den Finanzmärkten zwingt die Banken weltweit zum Handeln. Mit eigenen Regeln wollen die Institute Vertrauen zurückgewinnen, nachdem sie Milliarden in riskanten Finanzprodukten verzockten. Das Zauberwort: Selbstdisziplin.

Der internationale Bankenverband IIF ist auf dem Weg zu einem Verhaltenskodex: Besseres Risikomanagement, mehr Transparenz bei komplizierten strukturierten Produkten und ein übergeordnetes Überwachungsgremium sollen die Märkte beruhigen. Doch Ökonomen und Finanzwissenschaftler zweifeln, dass Verhaltensvorschläge ausreichen werden. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht, fast täglich nähren Meldungen über neue Milliardenlöcher die Verunsicherung. Auch wenn es für endgültige Lehren noch zu früh sei, zeichne sich «bereits jetzt ab, dass die bislang genannten Schritte mit Blick auf die Ursachen der aktuellen Finanzmarktturbulenzen wohl zu kurz greifen», hatte Bundesbankpräsident Axel Weber erst Anfang dieser Woche gesagt. Selbst Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann nannte am Mittwoch in seiner Funktion als IIF-Präsident die Vorschläge des Verbandes «eine erste Antwort auf die Krise».

«Bessere Aufsicht notwendig»

«Die Banken, die da mitmachen, erhoffen sich natürlich auch einen Imagegewinn», sagt der Finanzwissenschaftler Dirk Schiereck. Die Institute zeigen sich handlungsfähig und gewillt, die Krise zu bewältigen. Zumindest kurzfristig könnte das die Wogen etwas glätten. Doch Schiereck betont: «So ein Kodex kann nur ein erster Schritt ein. Was wir dann brauchen ist eine deutliche Verbesserung der Aufsicht und verbindliche Regeln.»

Der Frankfurter Bankenprofessor Martin Faust fordert grundsätzlich mehr Kontrolle der Kreditwirtschaft: «Eine Selbstverpflichtung ist nicht sinnvoll, das ist ein netter Versuch, aber man muss zwangsweise die staatlichen Vorschriften verschärfen.» Die Finanzaufsicht BaFin brauche mehr Personal, die Banken müssten häufiger wirklich aussagekräftige Zahlen vorlegen.

Bilanzierungsregeln aussetzen

Gerade die vorgeschriebene Bilanzierung vieler Wertpapiere zu aktuellen Marktkursen bereitet den Instituten derzeit Probleme. Da der Markt für faule US-Immobilienkredite (subprime) zusammengebrochen ist und diese Papiere praktisch unverkäuflich sind, müssen die Banken oft hohe Abschreibungen verbuchen, selbst wenn sie die Vermögenswerte zu dem aktuellen Marktpreis gar nicht verkaufen wollen. Mittlerweile hat sich die Krise auf andere Anlageklassen ausgeweitet - deren Wertschwankungen machen selbst Instituten zu schaffen, die mit den eigentlichen Krisenpapieren wenig zu schaffen haben.

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) kommt in einem mehr als 70 Seiten starken Positionspapier «Lehren aus den Finanzmarktturbulenzen» zu dem Ergebnis, die geltenden Bilanzierungsregeln könnten gar «zur Verschärfung der Probleme beitragen» und folgert: «Daher wäre es sinnvoll, auf internationaler Ebene eine Aussetzung der täglichen Marktbewertung rückwirkend zum Beispiel zum 1. Januar 2008 in Krisenzeiten zu erlauben.» Auch der Vizepräsident der Deutsche Bundesbank, Franz-Christoph Zeitler, hatte sich kürzlich für eine Änderung der Bilanzierung ausgesprochen.

Bankenanalystin Katharina Barten von der Ratingagentur Moody's ist überzeugt: «Die Preise spiegeln mitnichten das wider, was wir an Ausfallwahrscheinlichkeiten sehen dürften. Wir haben im Moment eine Vertrauenskrise.» Der Leiter des deutschen Bankenteams von Moody's, Johannes Wassenberg, begrüßt Bestrebungen zur Änderung der Bilanzierung: «Alles, was hilft, das Vertrauen der Investoren und der Kontrahenten zu verbessern, ist aus Marktsicht willkommen.» (Jörn Bender, dpa und Kathrin Schulte-Bunert, dpa-AFX)

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