Bald 25 Euro? Streit um höhere Praxisgebühr

Gegen Forderungen nach höheren Praxisgebühren zum Stopfen von Finanzlöchern im Gesundheitswesen formiert sich breiter Widerstand. In der Konjunkturkrise seien weitere Zuzahlungen nicht die richtige Lösung.
von  Abendzeitung
Um die Höhe der Praxisgebühr gibt es erneut einen Streit.
Um die Höhe der Praxisgebühr gibt es erneut einen Streit. © dpa

Gegen Forderungen nach höheren Praxisgebühren zum Stopfen von Finanzlöchern im Gesundheitswesen formiert sich breiter Widerstand. In der Konjunkturkrise seien weitere Zuzahlungen nicht die richtige Lösung.

Das sagte die Vorsitzende des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung, Doris Pfeiffer, am Mittwoch in Berlin. «Bevor wir über höhere Zuzahlungen sprechen, müssen wir klären, wie stark die Versicherten schon belastet sind», meinte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, in der «Bild»-Zeitung.

Nach Ansicht des einflussreichen Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem müssen drohende Einnahmeausfälle der Krankenkassen ausgeglichen werden. «Eine Möglichkeit ist, die Zuzahlungen zu erhöhen. Das beträfe dann auch die Praxisgebühr», sagte Wasem dem Blatt. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums bekräftigte hingegen: «Es wird keine Erhöhung der Zuzahlungen geben.»

Die Wirtschaftskrise reißt 2009 ein Loch von 2,9 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds, das aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen wird. 2011 muss das Geld zurückgezahlt werden. Derzeit müssen die Versicherten in der Regel zehn Euro pro Quartal zahlen. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Leonhard Hansen, hatte in der «Rheinischen Post» fünf bis zehn Euro Gebühr für jeden Arztbesuch gefordert. Facharztbesuche ohne Überweisung sollten bis zu 25 Euro kosten.

Die Vorsitzende des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung, Pfeiffer, forderte: «Vielmehr sollten wir darüber reden, wie Ressourcen sinnvoller eingesetzt und Bruchstellen zwischen einzelnen Versorgungsbereichen abgebaut werden können.» Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, warnte vor «unüberwindbaren Hürden für Menschen mit geringem Einkommen».

Der Chef der AOK Rheinland-Hamburg, Wilfried Jacobs, kritisierte im «Kölner Stadt-Anzeiger», es sei ein Armutszeugnis, wenn Ärztevertreter Patienten noch weiter abkassieren wollten. Schließlich bestellten die Ärzte ihre Patienten selbst zu immer neuen Terminen, ergänzte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.

Vor der Marburger-Bund-Hauptversammlung am Wochenende sagte der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft, Rudolf Henke: «So zu tun als gäbe es die schleichende Rationierung nicht, ist scheinheilig und unehrlich.» Diese Debatte könne nicht unter Verschluss bleiben, weil sie dem Haus von Ministerin Ulla Schmidt (SPD) nicht gefalle. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe will auf dem Ärztetag kommende Woche erneut für einen «Gesundheitsrat» werben, der dem Gesetzgeber vorschlagen soll, was bei knappen Kassen bezahlt wird.

Die Organisation Freie Ärzteschaft forderte zu bundesweiten Praxisschließungen in der kommenden Woche auf, «um auf die drohende Verelendung der wohnortnahen haus- und fachärztlichen Versorgung aufmerksam zu machen». Insgesamt können die 140 000 niedergelassenen Ärzte 2009 aber die Rekordsumme von rund 30,5 Milliarden Euro allein von den gesetzlichen Krankenkassen erwarten. Insgesamt stehen dem Gesundheitssystem rund 167 Milliarden Euro von den Kassen zur Verfügung.

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