Bahn kündigt Bericht an: Um Mehdorn wird es einsam
BERLIN - FDP-Experte Friedrich wirft der Bahn vor, den Datenabgleich ihrer Mitarbeiter zum Aufdecken von Informationslecks genutzt zu haben. Die Rücktrittsforderungen gegen Mehdorn halten an - sollte er sich halten, hat er das wohl vor allem der Bundestagswahl zu verdanken.
Die Deutsche Bahn will Anfang kommender Woche die Bundesregierung in einem ausführlichen Bericht über den «aktuellen Erkenntnisstand» zur Datenaffäre des Konzerns informieren. «Was wir wissen, kommt auf den Tisch und wird selbstverständlich Parlament, Regierung und Aufsichtsrat vorgelegt. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer umfassenden Aufklärung», sagte Konzernchef Hartmut Mehdorn am Donnerstag in Berlin.
Wegen des großen Umfangs der zu sichtenden Unterlagen, die bis ins vergangene Jahrzehnt zurückreichend untersucht würden, sei ein Abschluss der Ermittlungen bis zur kommenden Woche aber «naturgemäß nicht möglich». Die Regierung hatte die Bahn zu einer lückenlosen Aufklärung des Massenabgleichs von Mitarbeiterdaten in den Jahren 2002, 2003 und 2005 aufgefordert. Das Verkehrsministerium forderte aussagekräftige Unterlagen zu der Angelegenheit noch vor der Sitzung des Bundestags-Verkehrsausschusses am Mittwoch kommender Woche.
Neuer Spitzelvorwurf
Zugleich wies die Bahn Vorwürfe des FDP-Verkehrsexperten Horst Friedrich zurück, im Rahmen des massenhaften Datenabgleichs von Mitarbeitern seien auch Journalisten und Politiker bespitzelt worden. «Herr Friedrich soll seine Vorwürfe mit Fakten untermauern. Bislang liegen für seine schwerwiegenden Vorwürfe keine Fakten vor», sagte Konzernsprecher Reinhard Boeckh am Donnerstag der Nachrichtenagentur AP.
Friedrich hatte im Gespräch mit der Online-Ausgabe der «Frankfurter Rundschau» den Namen des Berliner Verkehrswissenschaftlers Gottfried Ilgmann genannt, der Opfer dieser Überwachung geworden sei. «Die Bahn hat die E-Mail-Korrespondenz des Bahn-Mitarbeiters mit Ilgmann überwacht», sagte Friedrich zu «FR-Online». Es sei «durch Fakten belegbar, dass auch Kontakte von Bahnmitarbeitern zu Journalisten und Politikern überprüft worden sind», sagte Friedrich. Ilgmann sei kein Einzelfall.
Gewerkschafter gegen gemeinsame Erklärung
Auf AP-Anfrage konnte Friedrich allerdings keine Namen von Politikern oder Journalisten nennen, die im Rahmen des Datenabgleichs durch die Bahn bespitzelt wurden. Ilgmann ist ausweislich seiner Homepage als Managementberater tätig. Insgesamt gebe es für ihn ausreichende Hinweise, «dass mehr passiert ist als Korruptionsbekämpfung», sagte Friedrich. Als Beleg dafür führt der FDP-Politiker die hohe Zahl an abgeglichenen Daten an. Die Bahn hatte 2002 und 2003 die Daten von 173.000 von 240.000 Mitarbeitern überprüft. Deshalb sei die Korruptionsbekämpfung «nur ein Vorwand» der Bahn gewesen. Derweil wird die Luft für den Vorstandschef immer dünner. Inzwischen gehen auch die Bahn-Gewerkschaften auf deutliche Distanz zu Mehdorn. Beim Treffen zwischen dem 66-Jährigen und den Chefs der Gewerkschaften in Frankfurt sollen letztere den Schulterschluss mit dem Bahnchef verweigert haben.
Wie die Netzeitung erfuhr, strebte Mehdorn die Unterzeichnung einer gemeinsamen Abschlusserklärung an, in der unter anderem das Daten-Screening als «Routinevorgang» bewertet wird. Danach - so Mehdorns Plan - wären Vorstand und Gewerkschaftschefs gemeinsam vor die Presse getreten. Doch die Gewerkschafts-Vorsitzenden hätten dieses Ansinnen abgelehnt, hieß es. Zuvor hatte Mehdorn den Gewerkschaftschefs erklärt, der Datenabgleich sei der Innenrevision als «kostengünstige Methode zur Aufdeckung von Betrugsfällen» empfohlen worden. Am Donnerstag verschärften die Gewerkschaften den Ton: Die Bahnspitze habe bis spätestens Dienstag Zeit, auf einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung umfassend über die Affäre aufzuklären und sich bei den Beschäftigten zu entschuldigen, sagte Transnet-Chef Alexander Kirchner. Sollte dies nicht geschehen, würden auch die Gewerkschaften den Rücktritt von Bahnchef Hartmut Mehdorn fordern. Kirchner nannte die Rücktrittsforderungen aus der Politik scheinheilig, da der Gesetzgeber bereits vor Jahren ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz hätte beschließen können, um eine derartige gesetzeswidrige «Rasterfahndung» unter Beschäftigen von vorn herein zu verhindern. Der Vorsitzende der Gewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, sagte der «Süddeutschen Zeitung», «wenn Mehdorn das Krisenmanagement nicht bald in den Griff bekommt, dann muss er seinen Hut nehmen». Hommel sitzt auch im Aufsichtsrat der Bahn.
Union scheut die Personaldebatte
FDP-Experte Friedrich bezweifelt die Aussage Mehdorn, dass er vom Datenabgleich nichts gewusst habe. «Es ist völlig unmöglich, dass er davon nichts weiß, Mehdorn ist der Einzige, der der Konzernrevision Aufträge erteilen darf», sagte Friedrich. Vor Personaldebatten setzt der Bund als Eigentümer aber eine Aufklärung der Fakten - vermutlich auch wegen des beginnenden Bundestagswahlkampfs. Denn das Vorschlagsrecht für einen Mehdorn-Nachfolger hätte das SPD-geführte Verkehrsministerium. Doch Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dürfte etwas dagegen haben, jetzt einen neuen SPD-nahen Manager an der Spitze der Bahn zu installieren, wenn die Union in gut einem halben Jahr womöglich mit der FDP zusammen regiert. Ziel der Union sei es daher, einen neuen Chef möglichst erst nach der Bundestagswahl an die Spitze des Konzerns zu setzen, berichtete die «Süddeutsche» unter Berufung auf führende Unionspolitiker. Allerdings ist ein Wechsel an der Spitze der Bahn keineswegs ausgeschlossen, wie die Zeitung weiter schreibt. Ob Mehdorn Konzernchef bleibe, hänge davon ab, was bei der Aufklärung des Datenskandals noch alles ans Licht komme. Zuletzt ging auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), bei dem Mehdorn lange Rückhalt genoss, auf Distanz. (nz)