AZ-Serie: Hartz IV - Was läuft schief? - Hartz IV international

Der große Länder-Vergleich: Absicherung von Arbeitslosen in Deutschland ist gering. Aber: Für manche lohnt sich Beschäftigung nicht.
von  Abendzeitung
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Der große Länder-Vergleich: Absicherung von Arbeitslosen in Deutschland ist gering. Aber: Für manche lohnt sich Beschäftigung nicht.

BERLIN Ist der Hartz-IV-Regelsatz zu niedrig? Oder zu hoch? Jeder Experte fordert etwas anderes, die Diskussion schlägt immer höhere Wellen. Da hilft ein Blick in die Nachbarländer – wie sieht’s da mit der sozialen Absicherung nach Arbeitslosigkeit aus? Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat die Zahlen einmal zusammengestellt.

Wie steht Deutschland international da? Im europäischen Vergleich fallen die Leistungen in Deutschland eher durchschnittlich bis dürftig aus. Ein alleinstehender Durchschnittsverdiener hat nach fünf Jahren Arbeitslosigkeit nur noch 36 Prozent seines früheren Netto-Haushaltseinkommens (siehe Grafik oben, rechts). Arbeitslosen in den Niederlanden, Dänemark und Irland geht’s dagegen relativ gut: Dort gibt’s zwischen 54 und 61 Prozent. Schlechter gestellt als die Deutschen sind unter anderem die Franzosen (34 Prozent) und die Polen (24 Prozent). In Italien und der Türkei gibt’s nach fünf Jahren sogar überhaupt nichts mehr.

Wie geht’s Geringverdienern? Für sie ist die Situation kurz nach dem Jobverlust härter als bei Durchschnittsverdienern (siehe Grafik oben, links): Sie rutschen nach dem Jobverlust schnell auf nur noch 59 Prozent des vorigen Haushaltsnettos ab und liegen im unteren Drittel der Skala. In Dänemark und Luxemburg gibt’s 83 Prozent, in Griechenland und Großbritannien dagegen nur 54 Prozent.

Wie ist die Situation von Alleinerziehenden und Familien mit Kindern? Sie sind besser gestellt als Singles, Familien rangieren in der Liste sogar ziemlich weit oben: Ein Durchschnittsverdiener mit zwei Kindern bekommt in Deutschland nach fünf Jahren Arbeitslosigkeit noch 63 Prozent seines Nettoeinkommens (in Frankreich sind’s 43, in Schweden 41 Prozent). Alleinerziehende mit Kindern kommen auf 61 Prozent (Niederlande: 72 Prozent, Spanien: 34 Prozent).

Was kritisieren die OSZE-Experten am deutschen Hartz-IV-System? Langzeitarbeitslose in Deutschland hätten vergleichsweise wenig finanzielle Anreize, eine gering bezahlte existenzsichernde Beschäftigung anzunehmen. Ein Alleinerziehender oder verheirateter Alleinverdiener mit zwei Kindern müsste ein Einkommen von mehr als 60 Prozent des Durchschnittslohns erzielen, ehe das Nettoeinkommen deutlich über Hartz IV liege. „Und darin sind die Kosten für Kinderbetreuung und die Schwierigkeiten, in Deutschland einen Betreuungsplatz für Kinder zu finden, noch nicht berücksichtigt“, sagt OECD-Forscher Herwig Immervoll. Im Klartext: Ein Familienvater fährt mit einer gering bezahlten Arbeit meist schlechter als mit Hartz IV.

Denn: „Schon Geringverdiener haben eine relativ hohe Steuer- und Abgabenlast. Einige OECD-Länder schaffen es, eine relativ großzügige finanzielle Absicherung mit hohen finanziellen Anreizen zur Arbeitsaufnahme zu kombinieren.“ In Deutschland dagegen konzentrieren sich Anreize wie Freibeträge auf geringfügige Beschäftigungen. zo

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