AZ-Meinung: Ein neues Spiel

Der Chefreporter der AZ Matthias Maus über den arabischen Zeitenwandel

Der Zug ist nicht mehr aufzuhalten: es wird einen Neuanfang geben in Arabien, und der Vergleich mit dem Mauerfall ist vermutlich nicht zu hoch gegriffen. Ob sich die Demokratie-Erfolgsgeschichte jedoch wiederholt, entscheidet sich in diesen Tagen.

Es mag „dem Westen“ passen oder nicht: Demokratie in der Region wird nicht zu haben sein ohne „die Islamisten“. Zu tief, zu lange sind die Moslembrüder verwurzelt in der ägyptischen Gesellschaft, als dass sie aus dem Post-Mubarak-System ausgeklammert werden könnten.

Dabei sollte man sich nicht vor Schreckgespenstern fürchten, nicht alle Islamisten sind Radikale. In einem demokratischen Neuanfang können und müssen sie beweisen, dass sie zu Realpolitik fähig sind – dass sie mit Israel genauso realistisch umgehen wie die Autokraten Abdullah in Amman oder Mubarak in Ägypten.

Diese Politikfähigkeit haben Islamisten schon einmal bewiesen. Noch keine Regierung hat so konstruktiv und europa-freundlich agiert wie die Islamisten von Recep Tayyip Erdogan in der Türkei. Allerdings muss der Westen, inklusive Israel, dem neuen Arabien auch etwas bieten. Ein konstruktiverer Umgang mit den Palästinensern wäre ein Anfang. Wenn Israel bei seiner hergebrachten Politik bleibt, und wenn die Dynamik um die Südostküste des Mittelmeers so weitergeht, dann könnte Israel von der einzigen Demokratie der Region schnell zur letzten Bastion der Halsstarrigkeit werden.