Autobauer als Finanzjongleur

Erst schoss die VW-Aktie in schwindelerregende Höhen. Jetzt stürzte sie wieder ab, weil Porsche ankündigte, Aktien zu verkaufen. Will der Sportwagenbauer VW tatsächlich beherrschen - oder nur viel Geld mit den Volkswagen-Papieren machen?
von  Abendzeitung
Klein schluckt groß: Porsche will VW künftig beherrschen. Kritiker argwöhnen jedoch, der Sportwagenbauer möchte mit dem Kauf von VW-Aktien einen Reibach machen.Foto: dpa
Klein schluckt groß: Porsche will VW künftig beherrschen. Kritiker argwöhnen jedoch, der Sportwagenbauer möchte mit dem Kauf von VW-Aktien einen Reibach machen.Foto: dpa © dpa

MÜNCHEN/STUTTGART - Erst schoss die VW-Aktie in schwindelerregende Höhen. Jetzt stürzte sie wieder ab, weil Porsche ankündigte, Aktien zu verkaufen. Will der Sportwagenbauer VW tatsächlich beherrschen - oder nur viel Geld mit den Volkswagen-Papieren machen?

Holger Härter ist der Mann, der bei Porsche den Gewinn hochtreibt. Allerdings nicht, weil er besonders gut Autos verkaufen könnte. Härter ist Finanzchef des Stuttgarter Sportwagenbauers. „Der bräuchte das ganze Blech gar nicht, um Geld zu verdienen“, sagt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking über seinen Intimus.

Härter kennt sich hervorragend aus mit komplizierten Finanzinstrumenten wie Hedging oder Optionen. Und der 52-Jährige ist derjenige, der wohl noch als Einziger die komplizierten Geldgeschäfte überreißt, mit denen Porsche sich die Aktienmehrheit an VW gesichert hat. Und schließlich am Sonntag ankündigen konnte: Man kontrolliere schon fast drei Viertel aller Volkswagen-Papiere.

Eine Mitteilung, die die VW-Aktie in den letzten Tagen unvergleichliche Kurskapriolen vollführen ließ. Und in deren Sog auch der Deutsche Aktienindex eine irrwitzige Berg- und Talfahrt hinlegte.

Die Empörung über die Gaga-Kurse ist groß

Das ging auch gestern wieder so: Nach dem wilden Höhenflug vom Wochenanfang (plus 350 Prozent) brach das VW-Papier zeitweise um fast die Hälfte ein. Das zog auch den Dax ins Minus – obwohl die meisten Werte dick im Plus lagen. Grund für den Absturz war die Ankündigung Porsches, nun wieder VW-Anteile zu verkaufen, um den Markt zu beruhigen. Gleichzeitig machte die Deutsche Börse klar: Ab Montag werde der Anteil von VW im Dax auf 10 Prozent gedeckelt. Zwischenzeitlich hatte VW ein Gewicht von fast 30 Prozent in dem Börsenbarometer erreicht.

„Die Deckelung war längst überfällig“, sagt Lothar Gries von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Nicht nur die SdK hatte sich über die Gaga-Kurse der letzten Börsentage lauthals empört. Das Kurs-Chaos habe den Ruf des wichtigsten deutschen Börsenbarometers ramponiert, hieß es gestern. Und erneut wurde spekuliert: Porsche habe den Kursanstieg absichtlich provoziert, um davon zu profitieren. „Porsche musste wissen, dass nur noch wenige Aktien frei im Markt verfügbar sind“, sagt Lothar Gries. Der Kursanstieg sei absehbar gewesen.

Der Sportwagenbauer weist solche Vorwürfe zurück. Man sei nie im Markt aktiv gewesen. Schuld an den Turbulenzen seien Leerverkäufer (siehe unten). Jetzt ermittelt die Finanzaufsicht Bafin. Tatsache ist: Seit dem Einstieg von Porsche bei VW ist der VW-Kurs um fast 400 Prozent geklettert. Folge: Alleine im Geschäftsjahr 2006/2007 verdiente Porsche mit Finanzgeschäften viermal soviel Geld wie mit Autos, 2007/2008 wird es noch mehr werden.

Ein Erfolg, auf den Holger Härter sicher mit seinem Duzfreund Wiedeking anstoßen wird. Vermutlich mit Rotwein. Den haben sie beide gern. Weit laufen müssen sie auch nicht: Ihre Büros liegen direkt nebeneinander. Und das Gesprächsthema dürfte auch klar sein: Porsches nächste Schritte bei VW.

A. Jalsovec

Info: Was sind Leerverkäufer?

Für das Kurs-Chaos bei VW werden „Short-Seller“, zu deutsch „Leerverkäufer“, verantworlich gemacht. Sie hatten auf sinkende Kurse bei der VW-Aktie gewettet. Dazu leihen sie sich Aktien für eine Gebühr aus und verkaufen sie weiter. Sinkt der Kurs, können sie die Papiere später günstiger einkaufen und dem Ausleiher zurückgeben. Den Kursgewinn streichen sie ein. Die VW-Aktie stieg aber, weil Porsche immer mehr davon aufkaufte. Das versetzte die Spekulanten in Panik: Alle wollten Porsche-Aktien kaufen. Das katapultierte den Kurs hoch. Als Folge aus den Turbulenzen forderte Niedersachsen Ministerpräsident Christian Wulff, künftig Aktien-Optionsgeschäfte, zu denen auch Leerverkäufe gehören, stärker zu dokumentieren und zu überprüfen.

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