Ausgebrannt in Rente

Immer mehr Münchner können wegen seelischer Probleme nicht arbeiten. Claudia Fröse von der Techniker Krankenkasse berät Firmen, damit diese Strategien gegen den Stress im Betrieb entwickeln
von  AZ Aktuellredaktion
Die 37-jährige Diplom-Pädagogin Claudia Fröse berät für die Techniker Krankenkasse Firmen.
Die 37-jährige Diplom-Pädagogin Claudia Fröse berät für die Techniker Krankenkasse Firmen.

Immer mehr Münchner können wegen seelischer Probleme nicht arbeiten. Claudia Fröse von der Techniker Krankenkasse berät Firmen, damit diese Strategien gegen den Stress im Betrieb entwickeln

AZ: Frau Fröse, wie sprechen Sie Firmenchefs auf das Problem psychischer Krankheiten im Betrieb an?

CLAUDIA FRÖSE: Ich spreche nicht nur von Krankheiten, sondern von Stress und psychischer Belastung. Für uns ist wichtig, wie Menschen im Betrieb psychische Belastung wahrnehmen. Wir wollen sie erreichen, bevor sie sich in Behandlung begeben müssen. Und 90 Prozent derer, die Stress erfahren, sind noch erreichbar.

Wie reagieren die Führungskräfte auf Ihre Anregungen?

Vor zehn, 15 Jahren reagierten Chefs auf solche Themen mit Unverständnis. Heute erleben die Führungskräfte psychische Belastungen, die über das Normale hinausgehen, auch am eigenen Leib und sind eher bereit, sich mit solchen Fragestellungen auseinander zu setzen.

In welchen Branchen treten psychische Krankheiten besonders häufig auf?

Im sozialen Bereich, wo Beschäftigte im persönlichen Kontakt gefordert sind, aber auch im Bildungsbereich. In Krankenhäusern, Altenheimen und Sozialeinrichtungen kommt es ebenfalls zu extremen Belastungssituationen. Aber nicht nur dort. Wir sind heutzutage immer mehr vernetzt, immer mehr Informationen wirken auf die Menschen ein. Viele haben eine Flut von Mails zu bewältigen, und nicht jeder kann die Vielfalt der Möglichkeiten nutzen, die sich ihm damit bieten. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, sind nicht nur körperliche Wesen. Im Beruf spielt nicht nur die stoffliche Ebene eine Rolle.

Wenn Sie dies beispielsweise dem Leiter eines Call Centers erzählen, wird der möglicherweise entgegnen, dass er nun mal eine bestimmte Anzahl von Gespräche pro Tag zu bewältigen hat.

Aber gerade im Kundenkontakt kommt es häufig zu Konflikten. Deswegen müssen gerade dort die sozialen Kompetenzen und die Konfliktfähigkeit gefördert werden.

Kann es nicht auch sein, dass durch die Flut von Ratgeber-Büchern und durch die Berichterstattung in den Medien die Aufmerksamkeit der Menschen gegenüber möglichen Symptomen einer psychischen Erkrankung gestiegen ist? Dass also die eigentliche Zahl der Erkrankungen nicht gestiegen ist, nur die Diagnose?

Man vermutet da einen Zusammenhang. Immerhin sind die psychischen Erkrankungen aus der Tabuzone herausgeholt worden. Möglicherweise wurden sie früher eher als Erkrankung des Muskel- und Skelettsystems diagnostiziert.

Immer mehr Menschen werden wegen seelischer Störungen in Frührente geschickt – zum Teil schon mit Mitte vierzig oder noch früher. Übertreibt man da nicht?

Allgemein kommen heute die Ausfälle in der Arbeitswelt in früheren Jahren – das gilt beispielsweise für Herzinfarkte oder Bandscheibenvorfälle. Menschen frühzeitig zu berenten, ist aber nicht immer der richtige Weg. Ein Arbeitsplatz gibt Halt und integriert Betroffene in eine Gemeinschaft. Int.: sun

 

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