Aus dem Jumbo auf die Harley
Joseph Huber hat die Piloten-Uniform gegen die Lederjacke getauscht. Mit Ehefrau und der Harley geht’s um die halbe Welt
München Die dicken Brummer waren sein Leben. Jumbo, Airbus 340, Airbus 310: Joseph Huber hat sie alle geflogen. Aber dann musste er aufhören bei der Lufthansa – Altersgrenze.
„An einem 31. März war Schluss“, erinnert sich der 65-Jährige: „Und am 1. April hatte ich noch was zu erledigen in der Firma – da ging schon die Alarmanlage los bei meinem Betriebsausweis.“ Das war dann doch ein kleiner Schock: „Nach einem Leben für die Firma.“
Er hat kurz überlegt, ob er bei anderen Airlines anheuern sollte. „Die hätten mich auch genommen.“ Aber dann hat er sich gedacht: „35 Jahre ist nichts passiert.“ Und: „Alles hat seine Zeit.“
Joseph Huber ist am Boden geblieben, bei schweren Maschinen aber auch: „Fahr ich halt mehr Harley“ hat er sich gesagt. Im Frühjahr kaufte er sich die „E Glide“ , die Jubiläums-Edition: „Das Flaggschiff“, schwärmt die Harley-Seite, zu haben laut Katalog ab 27495 Euro.
Für die AZ rollt Huber das Schmuckstück aus der Garage: „Harley-Parking only“ steht auf dem Tor, und: „All Jap bikes will be crushed“. Kleiner Scherz.
Joseph Huber ist alles andere als ein Krawallbruder, der seine Aggressionen an japanischen Maschinen auslässt. Er ist die Ruhe selbst. Gab es irgendeine brenzlige Situation als Pilot? „Es gab keine Situation, wo ich mal dachte: Glück gehabt.“ Und: „Kann man fast alles trainieren.“
Huber strahlt die Ruhe aus, die man als Flugpassagier am Käptn so schätzt – und als Sozia auf dem Motorrad mit 1700 Kubik offenbar auch. „Wir waren schon viel unterwegs, sagt Heide-Marie Huber, die Ehefrau: „USA, Andalusien, Sizilien.“
Zweimal im Jahr geht’s auf große Tour, im Herbst ist der Comer See dran. Meist holt der Lkw die Maschine ab, die Anreise ist bequemer so. Hubers können sich das leisten, die Pension eines Lufthansa-Kapitäns reicht für das Hobby, vor allem wenn das Haus „seit Generationen in Familienbesitz ist.“
Aber Huber mag nicht dick auftragen. Er ist zwar „Ehrenmitglied in einem Golf-Club“. Aber: „Schicki-Schmarrn, das ist nichts für mich.“ Er verbringt jetzt viel Zeit im Verein: Pardon! Im „Herz-Ass-Chapter“, dem Club der Münchner Harley-Besitzer: „Vom Lademeister über den Juristen bis zum Oberarzt, alles ist dabei“, erzählt Huber: „Alle sind per Du, ganz locker, alles leicht rustikal.“
Nein, die schmucke Piloten-Uniform vermisst er auch nicht: „Endlich keine Krawatte mehr“, sagt er: „Jeans und Lederjacke reicht, und schon geht’s dahin.“ Auf einer Bergwiese liegen, die Jacke als Unterlage, das kommt dem Traum des Joseph Huber recht nahe, sagt er.
Ja, sicher, das war schon nicht einfach am Anfang, als die ihn nicht mehr haben wollten. „Es war eine schöne Zeit“, und „Heute dürfen sie bis 65 fliegen.“ Er erinnert sich an die Begrüßungs-Fontänen der Flughafen-Feuerwehr nach der letzten Landung.
„Aber den Stress, denn kenn ich schon auch.“ Alle drei Monate zum Simulatoren-Test, alle halbe Jahre zum Fliegerarzt, „Und jedesmal kann’s vorbei sein mit der Fliegerei.“ Das sei schon gut, dass er jetzt geerdet ist.
Aber mit der dickem E-Glide: Kommt er da nicht auch körperlich an seine Grenzen: „Auf engen Gebirgsstraßen“, sagt er, da müsse man schon aufpassen. Sie haben das 400-Kilo-Ding auch schon um die Serpentinen der Tour de France-Bergetappen manövriert: „Für Anfänger ist das nichts.“ sagt er: „Und wenn man dann von heißen Jungs in den Bergen geschnitten und überholt wird, dann hört der Spaß eigentlich auf.“
Als junger Mann ist er Motorrad gefahren, „aber nach einem Unfall war 30 Jahre Schluss“. Als er wieder anfing, da nahm er eigens noch mal Fahrstunden. Joseph Huber mag die Freiheit. Aber er ist kein Abenteurer.
Und wie lange geht das noch mit dem Motorrad? Huber antwortet mit einer Geschichte. Neulich war er beim Händler. „Der hat gerade einen 82-jährigen Kunden. Die Kinder hatten ihm eine Maschine gekauft.“ Der fahre jetzt „rum wie der Weltmeister“. Und: „Da werden für mich ja auch noch ein paar Jahre drin sein.“ Matthias Maus