Auguren der Krise hoffen auf den V-Effekt

Steiler Aufschwung, Berg- und Talfahrt oder Dümpelei? Prognosen fürs Ende der Krise
MÜNCHEN/FRANKFURT/MAIN Die Börse will es wissen. Langsam, aber scheinbar unaufhaltsam pirscht sich der Deutsche Aktienindex (Dax) an die 5000-Punkte-Marke heran – als gäbe es keine zusammenbrechenden Banken, keine exorbitant wachsende Staatsverschuldung, keine Kurzarbeit. Ein Vorgeschmack aufs Ende der Krise?
Jetzt noch schnell auf den Börsenzug aufspringen?
5000 Punkte, das wäre gegenüber dem Dax-Tiefstand Anfang März ein Zuwachs von immerhin 36 Prozent. Optimistische Investoren haben zurzeit an der Börse Oberwasser und trösten gönnerhaft die vermeintlich zu zögerlichen Investoren: „Wir halten es trotz der jüngsten Kursgewinne noch nicht für zu spät, bei zu erwartenden Korrekturen auf den Börsenzug aufzuspringen", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.
„Die Talfahrt ist gestoppt“
Tatsächlich sprechen einige Daten dafür, dass die Wirtschaft wieder Fuß fasst. Die Produktion und der Export haben sich im März gefangen – wenn auch auf einem weit niedrigeren Niveau als im Vorjahr. „Die Talfahrt ist gestoppt“, sagt Axel Nitschke vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht von einer „Stabilisierung“. Die niedrigen Rohstoffpreise würden der Wirtschaft helfen, urteilt DIW-Chef Klaus Zimmermann.
Auch einzelne Firmen schöpfen Hoffnung. Die Autohersteller BMW und Ford haben ihre Kurzarbeit beendet beziehungsweise zurückgenommen, das Gleiche erwägt der Anlagen- und Brummibauer MAN. Es kommen also wieder Aufträge herein.
Aber der Flurschaden der Krise ist zu groß
Liegen die Börsen-Auguren richtig, dürfen sich Beschäftigte und Unternehmen auf eine konjunkturelle V-Kurve freuen: Nach einem scharfen Einschnitt käme ein ebenso steiler Aufschwung. Eine realistische Aussicht?
Eher ein Sommermärchen, glauben Ökonomen. Der Flurschaden, den der Kollaps der Finanzmärkte in der Wirtschaft angerichtet hat, geht zu tief, als dass das Wachstum schnell zulegen könnte. Die wichtigsten Staaten der Welt haben sich für ihre Rettungspakete so sehr verschuldet, dass die öffentliche Hand auf absehbare Zeit als Nachfrage-Stütze für die Wirtschaft ausfällt. Und die Finanzbranche, vor allem in den USA, ist noch weit davon entfernt, wieder als Kapitalgeber für die Firmen zu funktionieren.
Der Münchner Ökonom Martin Hüfner warnt deswegen vor Rückschlägen an der Börse, vor einem W-Muster anstelle des V-Verlaufs. „In der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 hat sich der Dow Jones viermal um jeweils mehr als 20 Prozent erholt“, sagt Hüfner, „um dann wieder einzubrechen“. In der New-Economy-Krise 2000 bis 2003 sei der Dax ebenfalls mehrfach angestiegen, einmal sogar um knapp 40 Prozent, um dann wieder abzustürzen.
Stabiles Elend
Das Schlimmste kommt noch, unken die Firmenkundenvorstände großer Banken. Sie rechnen im Sommer mit einer Pleitewelle in Deutschland. Etliche Experten erwarten deswegen anstelle eines W oder V eine L-Kurve für die Wirtschaft: Nach dem Crash zwar keine Einbrüche mehr, aber hohe Arbeitslosenzahlen und kaum Wachstum.