Auf Anlegersuche beim Münchner Börsentag
Beim Münchner Börsentag konnten private Investoren auf Tuchfühlung mit Chefs von Aktiengesellschaften gehen. Über 3000 Besucher waren im MOC, um sich über mehr als 80 Unternehmen zu informieren.
München - Ein unscheinbarer, graubrauner Rohstoff, zu kurzen, zylindrischen Stäbchen gepresst. Er macht optisch nicht viel her, aber er soll Häuser genauso wärmen wie Depots. Genussscheine des Holzbrennstoff-Herstellers German Pellets bringen ein gutes Öko-Gewissen und acht Prozent Rendite im Jahr, verspricht das Unternehmen. German Pellets ist eines von rund 80 Unternehmen, die sich am Wochenende auf dem Münchner Börsentag präsentierten. Um die 3000 Besucher ließen sich von Finanzdienstleistern und Herstellern informieren.
Banken und Fondsanbieter haben es zurzeit vergleichsweise schwer, für die Börse zu werben. Die Zahl der Menschen, die sich für Wertpapiere interessieren, ist nach dem Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrtausends abgestürzt und hat sich seitdem nicht wirklich erholt, obwohl die Börsenkurse mittlerweile deutlich höher sind als zu Zeiten des Neuer-Markt-Booms. „Viele Jahre haben wir an der Börse nur hartgesottene Investoren gesehen, die durch Himmel und Hölle gegangen sind“, sagt Norbert Betz, der Leiter der Handelsaufsicht der Münchner Börse. „Wir merken jetzt, dass sich die Anleger langsam wieder in den Markt hineintrauen. Aber wir sind noch weit entfernt von einer Massenbewegung.“
Für Privatleute, die sich selbst informieren und dem Chef einer Aktiengesellschaft auch mal die Hand schütteln wollen, veranstaltet die Börse München regelmäßig Investorentreffen, bei dem sich Unternehmen ihres Mittelstandssegments M:access vorstellen. Viele Interessenten, die dorthin kommen, verstehen sich als „Trüffelschweine“, sagt Betz, die sich in der Flut der Wirtschaftsinformationen ihr eigenes Bild von Aktiengesellschaften machen wollen.
Weitgehend rar geworden sind dagegen Menschen wie Manfred Seiler, der als Besucher zum Börsentag kam. Seiler hat zwei Rechner mit drei Bildschirmen zu Hause stehen, verbringt täglich vier bis fünf Stunden mit dem Kauf und Verkauf von Wertpapieren. „Ich habe bei allen neuen Investments erst einmal mit kleinen Summen angefangen“, beschreibt er seine persönliche Lernkurve. So fielen Verlustphasen bei ihm nicht so schlimm aus, dass er die Lust an der Börse verloren hätte. Wenn er allerdings im Freundeskreis von seinen Geschäften berichtet, stößt er meist auf Unverständnis – vor 14 Jahren wäre er damit noch der Mittelpunkt jeder Party gewesen.
Nicht nur die Erinnerung an den Börsencrash, auch die Unsicherheiten im Euro-Raum machen vorsichtige Anleger nervös. Robert Halver, Chefstratege der Unterschleißheimer Baader-Bank, vermutet, dass 2014 ein entscheidendes Jahr für die Kapitalmärkte wird. Er spricht vom „Puddingtest“, den die europäische Wirtschaft zu bestehen habe, wenn die Finanzspritzen der großen Notenbanken auslaufen. Läuft die Konjunktur auch ohne Stützen von außen? Das müsse sich dann zeigen, sagt er.
Als weitere Unsicherheitsfaktoren zählt er die Probleme der Schwellenländer wie China auf, die dabei sind, Reichtum im eigenen Land aufzubauen, außerdem die Europawahl: „Ein Drittel der Mandate könnten theoretisch auf Euro-kritische Parteien entfallen“, sagt Halver. „Schon mit 20 Prozent könnte ein Antrag auf Auflösung der Euro-Zone gestellt werden. Der würde abgelehnt, aber überlegen Sie mal, welche Resonanz in der Öffentlichkeit das gäbe.“ Trotz allem ist Halver optimistisch für die Börse, macht sich aber auf Kursschwankungen gefasst. Ende des Jahres, glaubt er, werde der Deutsche Aktienindex (Dax) bei 10 000 bis 10 500 Punkten stehen.
Michael Walewski von German Pellets dagegen hat keine Angst vor politischen Unwägbarkeiten – im Gegenteil. „Unsere Kunden fragen, wo das Holz herkommt, und sie sind froh, dass wir nicht auf Putin angewiesen sind“, sagt er. Ein großer Teil der Anleger, die sich Genussscheine von German Pellets ins Depot legen, sind um die 60 Jahre alt und kennen sich gut mit den Kapitalmärkten aus.
Ihnen rechnet German Pelletes vor, dass der Preisvorteil von Holz gegenüber Gas und Öl für weiter steigende Nachfrage führen werde, und dass auch für den Nachschub des Rohstoffs gesorgt sei. 120 Millionen Kubikmeter Holz würden allein in Deutschland pro Holz nachwachsen, sagt er, und nur 70 Millionen Kubikmeter davon würden derzeit genutzt.
Sorgen muss Walewski aber die Pleite des Windkraftanbieters Prokon machen. Sie bringt die gesamte Öko-Finanz-Branche in Misskredit. Prokon sammelte mit Genussscheinen Geld bei ökologisch orientierten Anlegern ein – ähnlich wie German Pellets. Der Windkraftanbieter fuhr gegen die Wand – bei German Pellets könne das nicht passieren, sagt Walewski. Schließlich würden die Genussscheine anders als bei Prokon nur einen Bruchteil der gesamten Finanzierung ausmachen, seien außerdem vertraglich so gestrickt, dass das Unternehmen keine Panikreaktionen der Anleger befürchten müsse. 50 Millionen Euro will German Pellets mit dieser Strategie einsammeln – 33 Millionen seien schon in der Kasse, heißt es.