Auch in München: Dieselkrise spaltet Autohändler

München - Wertverluste bei Diesel-Fahrzeugen, Sorge vor drohenden Fahrverboten und immer aggressivere Kunden: Die Dieselkrise hat nicht nur drastische Auswirkungen für einen großen Teil der Autofahrer – auch den Händlern macht die Situation immer mehr zu schaffen. Etliche fürchten um ihre Existenz.
"Wer weiß, ob es mich in ein paar Jahren noch gibt", sagt ein Autohändler aus dem Münchner Westen zur AZ. "Die Hersteller haben uns im September 2015 in eine sehr, sehr schwierige Situation gebracht." Seinen Namen will er lieber nicht in der Zeitung genannt haben – er fürchtet sonst Nachteile innerhalb der Branche.
Seit Bekanntwerden der VW-Abgasaffäre vor rund zweieinhalb Jahren, die als Auslöser der Dieselkrise gilt, werde die Situation immer schlimmer. "Zum einen will die Bestände auf dem Hof keiner mehr kaufen, da haben wir den Umsatz nicht mehr. Zum anderen leiden wir natürlich unter dem Wertverlust der Diesel", sagt der Händler. Angebot und Nachfrage regulieren den Preis – auch bei den Leasing-Rückläufern: "Bei uns schlagen jetzt die Verluste auf, weil der Kunde dann zum Beispiel sagt: 'Ich kaufe das Auto nicht für 17.000 Euro! Die Konkurrenz verkauft ihn für 14.900, also gib’ ihn mir für 15.000!’“ Auf der Differenz bleibe er sitzen – er habe dem Hersteller schließlich den Restwert garantiert.
Abgas-Affäre und die Folgen: "Gebrauchtwagenhandel bricht zusammen"
Selbst mit dem Verkauf gebrauchter Benziner seien diese Verluste kaum mehr aufzufangen. "Die werden derzeit so teuer gehandelt, dass die Marge zwischen An- und Verkauf sehr niedrig geworden ist. Der Gebrauchtwagenhandel bricht in sich zusammen", so der Autohändler. "Diese Einnahmequelle ist tot."
Große Autohäuser hingegen haben diese Probleme nicht – eher im Gegenteil, wie Harald Reiter vom Gebrauchtwarenzentrum Hemmerle in Trudering erzählt: "Es stimmt schon: nach München-Stadt verkaufen wir fast gar keine Diesel mehr. Aber wir verdienen trotzdem unser Geld damit." Sein Haus liefere mittlerweile viel ins Ausland sowie an Käufer, die ein paar Hundert Kilometer weit weg wohnen. Dort nämlich, wo keine Fahrverbote drohen. Erst heute habe er einen Wagen ins Allgäu ausgeliefert. "Es sind die Schnappchenjäger, die jetzt vermehrt zu uns kommen“, sagt Reiter.
Dass bei Hemmerle der Handel mit Gebrauchten noch gut funktioniert, liegt vor allem an der Größe des Betriebs mit mehreren Filialen. Das Unternehmen kann es sich leisten, nur jene Autos mit einem attraktiven Preis anzukaufen. "Unsere Leute sind darauf geschult", sagt Reiter. "Der Kunde versteht das ja auch, dass sein Auto jetzt ein bisschen weniger wert ist. Und wenn jemand eine Preisvorstellung hat, die nicht zu erzielen ist, dann lassen wir den eben wieder gehen. Wir kaufen günstig ein und verkaufen günstig weiter. Wenn man das clever macht, kann man damit gut Geld verdienen.“
Händler klagt: Kunden beschimpfen die Verkäufer
Doch auch Reiter kennt die Probleme der Konkurrenz. "Die kleinen Betriebe haben riesen Schwierigkeiten damit. Die, die nur 20 Autos auf dem Hof stehen haben, tun sich extrem schwer." Schon vor 20 Jahren habe das große Händler-Sterben begonnen, bei dem die kleinen verschwinden und die großen immer größer würden. Doch noch ein weiteres Problem plagt viele Autoverkäufer: "Die Kunden werden immer aggressiver", erzählt der Händler aus dem Münchner Westen. Gerade Verkäufer, die VW- und Audi-Fahrzeuge anböten, seien seit zwei Jahren immer mehr pöbelnden Kunden ausgesetzt. "Es ist ja so, dass die VW-Händler die ersten Ansprechpartner für den Kunden sind. Wir sind die, die an der Front stehen. Die quasi schuld sind, die das jetzt ausbaden sollen, die Prügelknaben. Aber wir können ja gar nix dafür."
Einige Mitarbeiter hätten die Belastung nicht mehr ausgehalten. Burn Outs und Kündigungen seien die Folge. "Wenn von 200 Leuten sechs gehen, ist das schon extrem", so der Händler. "Aber auch kein Wunder, wenn man über ein Jahr lang jeden Tag beschimpft wird und diskutieren muss." Das Allerschlimmste sei für ihn jedoch die Unsicherheit. Bei seinen Kunden – und für seine Zukunft.