Arme Rentner – reiche Pensionäre

Wer wieviel Geld im Ruhestand hat, entscheidet sich bei der Wahl der Laufbahn - bald gehtjeder vierte Steuer-Euro der Länder in die Versorgung der ehemaligen Staatsdiener.
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Im Verlauf eines Erwerbslebens sammeln Arbeitnehmer Altersversorgungs-Ansprüche an; mit der Auszahlung nehmen sie wieder ab. Die Beamten schneiden besser ab als gesetzlich Versicherte (GRV).
AZ Im Verlauf eines Erwerbslebens sammeln Arbeitnehmer Altersversorgungs-Ansprüche an; mit der Auszahlung nehmen sie wieder ab. Die Beamten schneiden besser ab als gesetzlich Versicherte (GRV).

Wer wieviel Geld im Ruhestand hat, entscheidet sich bei der Wahl der Laufbahn - bald gehtjeder vierte Steuer-Euro der Länder in die Versorgung der ehemaligen Staatsdiener.

Rente mit 67, Nullrunden, Abzugsfaktoren – aber was ist mit den Beamten? Sie sind im Alter bei weitem besser dran als alle anderen – und die Lücke wird immer größer. Die AZ hat zusammengetragen, wer im Ruhestand wie viel Geld hat.

Sind Beamte besser dran? Das Demografie-Problem (immer weniger Junge kommen für immer mehr Ältere auf) gilt für die Beamten genauso wie für alle anderen – „nur schärfer und schneller“, sagt Rentenforscher Bernd Raffelhüschen. Eine Million Pensionäre gibt es heute, bald werden es 1,6 Millionen sein – dann fließt jeder vierte Steuer-Euro der Länder in die Altersversorgung der Staatsdiener. Und die Übernahme der Reform-Härten der gesetzlichen Rente ist eher zögernd: Nur die Hälfte der Bundesländer hat bisher die Regelungen der Rente mit 67 für seine Beamten übernommen – darunter Bayern. Und: Eigentlich müssten Beamte sowieso bis 68 arbeiten, weil ihre Lebenserwartung um bis zu drei Jahre höher ist, sagt Raffelhüschen.

Die Kürzungsfaktoren der gesetzlichen Rente sind nur zu 20 Prozent übertragen worden, hat Raffelhüschen ausgerechnet – zu 100 Prozent, sagt dagegen der Beamtenbund. Und: Pensionäre müssten ja Steuern zahlen. Allerdings: Das müssen Rentner in wachsenden Schritten nun auch; schon heute sind Pensionäre selbst minus Steuern doppelt so reich wie Rentner. Und die Krankenversicherung? Selbst hier gibt’s ein Bonbon: Rentner zahlen 50 Prozent der Beiträge (der Rest kommt vom Staat), Pensionäre 30 Prozent.

„Die ohnehin große Gerechtigkeitslücke zu den gesetzlich Versicherten wird immer weiter aufklaffen“, sagt Professor Winfried Fuest vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Heute hat ein Pensionär 95 Prozent mehr Altersbezüge als ein Rentner – also in etwa doppelt soviel. In zehn Jahren werden es, wenn keine weiteren Reformen im Beamtenrecht gibt, 124 Prozent sein.

Was ist die Altersvorsorge wert? Das DIW hat mal einen anderen Ansatz ausgerechnet: Wie sieht das Vermögen aus, wenn man dazurechnet, was jeder im Alter ausbezahlt bekommt (siehe Grafik)? Die Altersanwartschaften betragen pro Bürger 67000 Euro, macht zusammen mit dem durchschnittlichen individuellen Vermögen von 88000 Euro insgesamt 150000 Euro. Die Durchschnittswerte täuschen aber, weil es krasse Ausschläge gibt – Beamte sind in dieser Rechnung die Krösusse der Nation. Pensionäre haben im Schnitt ein Gesamtvermögen von 500000 Euro – mehr als ein Firmeninhaber mit bis zu neun Mitarbeitern; gesetzlich Rentenversicherte erreichen einen Bruchteil davon.

Warum sind die Beamten besser dran? „Sie sind in vielfacher Hinsicht privilegiert“, so Markus Grabka, Autor der DIW-Studie. „Sie zahlen keine eigenen Altersvorsorge-Beiträge, ihr Pensions-Niveau orientiert sich am letzten Gehalt – und nicht wie bei gesetzlich Versicherten am Durchschnitt der gesamten Arbeitszeit.“ Beamte bekommen knapp über 70 Prozent ihres letzten Gehalts, Rentner knapp über 50. Beamte würden gerne darauf verweisen, dass sie ja auf eine lukrativere Karriere in der freien Wirtschaft verzichten – „ob das Argument heute noch stimmt, darüber muss man nachdenken“, sagt Grabka.

Wie viel haben die Deutschen überhaupt im Alter? Die besten Daten liefert die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes (EVS), für die 75000 Haushalte über ihre Einnahmen und Ausgaben Buch geführt haben. Die Angaben sind zwar von 2003, aber besonders aussagekräftig, weil sie nicht nur wie sonst die direkten persönlichen Auszahlungen aus der Renten- oder Staatskasse berücksichtigen, sondern auch alle weiteren Posten (Betriebsrente, Witwenrente, Zins- und Mieteinkünfte, Ausgaben für Steuern und Sozialkassen).

Wie setzen sich die Einkommen zusammen? Die gesetzliche Rente macht im Durchschnitt noch zwei Drittel (66 Prozent) der Alterseinkünfte aus, bei Ehepaaren in den alten Ländern gut die Hälfte (55 Prozent). Laut dem Altersvorsorge-Bericht der Regierung 2008 hat allerdings knapp die Hälfte der Paare und gut die Hälfte der Alleinstehenden im Alter keinerlei andere Einkommensquelle als die gesetzliche Rentenkasse. Vier Prozent der Paare und sechs Prozent der Alleinstehenden beziehen Grundsicherung (das Hartz IV für über 65-Jährige).

Was haben die Rentner? Ein Einpersonenhaushalt hat laut EVS im Schnitt 1476 Euro im Monat, Ehepaare 2530 Euro – in den neuen Ländern sind es gut 77 Prozent davon. Dort sind zwar die Auszahlungen aus der Rentenkasse höher, doch die sonstigen Einkünfte so niedrig, dass die Ost-Rentner insgesamt schlechter dran sind. Männer haben im Schnitt 200 Euro mehr (1633 zu 1435 Euro) – doch die Frauen holen langsam auf. Generell haben sie zwar oft geringere eigene Ansprüche, doch die Witwenrente macht im Schnitt aller Frauen immerhin 253 Euro im Monat aus.

Und die Beamten? Ein alleinstehender Pensionär hat im Schnitt netto 3125 Euro im Monat – doppelt so viel wie ein Rentner (abzüglich Krankenkasse, siehe Tabelle), Ehepaare 4211 Euro. Die Unterschiede nach Frau und Mann sind geringer: Pensionärinnen haben 3088 Euro netto im Monat, Pensionäre 3169. Der Altersvorsorgebericht der Regierung listet für 2008 als durchschnittliche Bruttopension (also ohne weitere Einkünfte) 2470 Euro auf (Männer 2490/ Frauen 2410). Dafür müsste ein gesetzlich Versicherter 45 Jahre lang Topverdiener sein. Anja Timmermann

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