Anhängsel oder Freund

Gastschüler sollten in den Alltag der Familie auch wirklich einbezogen werden
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Damit der Gastschüler gut in seine neue Familie integriert ist, sollte er auch deren Traditionen und Rituale kennenlernen.
dpa Damit der Gastschüler gut in seine neue Familie integriert ist, sollte er auch deren Traditionen und Rituale kennenlernen.

Gastschüler sollten in den Alltag der Familie auch wirklich einbezogen werden

Sie sind Fremde, bleiben maximal ein Jahr und sollen doch dazugehören: Gastschüler. Damit sie zur Familie oder dem Freundeskreis gehören, müssen alle etwas beitragen. Und der Gast muss dieselben Rechte und Pflichten haben wie der Rest der Familie.

Zehn Monate lebte der 17-jährige David in drei verschiedenen Familien in einer taiwanesischen Kleinstadt. Chinesisch spricht er jetzt fließend, auch sein Englisch hat er verbessert – nur die Taiwanesen hat er nicht so recht kennengelernt. „Ich war vor allem mit anderen Austauschschülern zusammen“, erzählt der Gymnasiast.

Das ist zwar häufig so, nicht aber Sinn der Sache. Da hilft es oft, gleichaltrige Gastgeschwister zu haben. Nur haben die auch nicht immer Lust, plötzlich bei allen Aktivitäten ein Anhängsel zu haben. „Natürlich ist es toll, wenn die Kinder der Gastfamilie den Austauschschüler mitnehmen und in ihren Freundeskreis integrieren“, sagt Rita Barth von der gemeinnützigen Jugendaustauschorganisation Youth For Understanding (YFU).

Gleichzeitig sei es aber auch die Aufgabe des Gastschülers, eine gewisse Selbstständigkeit zu entwickeln. Das allerdings ist oft gar nicht so leicht.

„Viele Austauschschüler berichten, dass die Deutschen sehr reserviert auf sie wirken und es sehr schwierig ist, Anschluss zu finden“, so YFU-Betreuerin Barth. Selbst in den Klassen würden sie von Lehrern manchmal gar nicht wahrgenommen und auch das Interesse der Mitschüler sei eher gering. Gerade in Großstädten gebe es in den Klassen und Kursen so viele Austauschschüler, dass sie alles andere als exotisch rüberkämen.

„Vielen ausländischen Schülern ist das deutsche Freizeitverhalten auch völlig fremd, weil etwa in den USA die Freizeitangebote nachmittags direkt an den Schulen stattfinden oder die Jugendlichen wie in China bis in den Nachmittag Unterricht haben“, ergänzt Kai Böttner von der Austauschorganisation AFS – Interkulturelle Begegnungen. Auch das bei uns so übliche Vereinswesen sei in vielen Ländern völlig unbekannt. „Da brauchen die Gastschüler Anregungen.“ Umso wichtiger ist, dass die Gastfamilien und Mitschüler den Neuen oder die Neue an die Hand nehmen – zumindest für die erste Zeit.

„Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, dass man auch seine eigenen Freunde vorbereitet, dass da jetzt ein Neuer kommt“, lautet ein Tipp von Rita Barth. Auch könne man die Lehrer ansprechen, inwieweit man die Kultur, das Land  oder die Sprache des Austauschschülers in den Unterricht integrieren kann. „In einigen Schulen gibt es sogenannte Schülerpaten“, erzählt Barth.

Hilfreich sei zudem, so früh wie möglich mit dem Gastschüler Deutsch zu sprechen. „Denn erst wenn man die Sprache spricht, kann man auch mit anderen besser in Kontakt treten“, sagt Böttner.

Aber es sind auch die Eltern gefragt. „Die Kinder sollten sich mit ihnen zusammensetzen und klären, wie und wer den Gastschüler integriert“, rät Böttner. Denn ständig ein vermeintliches Anhängsel zu haben, wenn die Chemie zwischen den Jugendlichen nicht stimmt, sei für die Gastgeschwister auch nicht das Angenehmste.

„Wir raten dringend davon ab, dass sich Jugendliche allein für den Gast verantwortlich fühlen müssen“, sagt Barth. Und bei Problemen sollten die jeweiligen Organisationen so früh wie möglich mit einbezogen werden.

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