Angst vorm Rasenmäher
6450 Stellen sollen bei Siemens in Deutschland weg. Wer bleibt drin, wer muss raus? Siemens-Manager reden Tacheles – trifft der Jobabbau doch die einfachen Mitarbeiter? An den Standorten werden Betriebsversammlungen vorbereitet.
MÜNCHEN Es ist wie die Reise nach Jerusalem auf dem Kindergeburtstag, nur nicht ganz so lustig. 6450 Stellen sollen bei Siemens in Deutschland weg. Wer bleibt drin, wer muss raus? Im Wirtschaftsausschuss des Konzerns lassen sich Betriebsräte seit Montag die Pläne von Vorstandschef Peter Löscher erklären. An den Standorten werden Betriebsversammlungen vorbereitet. Die Stimmung? „Sehr viel Ängste, auch Zorn“, heißt es beim Betriebsrat.
Ängste und Zorn gab’s schon oft bei den Siemens-Sparrunden der vergangenen Jahre. Diesmal ist aber von Streik die Rede – und ausgerechnet Ralf Heckmann, der sonst so moderate Chef des Konzernbetriebsrats, hat das Wort vom Ausstand in den Mund genommen.
„Lehmschicht“
Manager gegen einfache Angestellte. Es gehe nicht an, immer nur die einfachen Arbeiter bluten zu lassen, hatte Löscher angekündigt und von einer „Lehmschicht“ im mittleren Management gesprochen, die es abzutragen gelte. „Wir waren entsetzt, das zu hören“, berichtet der Erlanger Betriebsrat Andreas Eberhorn. Er war früher Mitglied in der Arbeitgeber-finanzierten AUB und gehört heute zu „Partner im Betrieb“, ist der Fundamentalopposition gegenüber dem Konzern also unverdächtig. Aber auch er sagt: „So etwas gefährdet die Loyalität zum Unternehmen.“ Mit Erleichterung lasen die Siemens-Manager schließlich in der „Wirtschaftswoche“, dass es doch zu drei Vierteln die einfachen Angestellten treffen soll.
Die sind umso aufgebrachter. Als „stolzer Siemensianer“ war Peter Löscher vor einem Jahr angetreten. Die Beschäftigten atmeten auf, weil der Neue Rücksicht auf ihre Belange versprach. Jetzt das: ein denkbar ungeschickt eingefädeltes Rotstiftprogramm. Die Arbeitnehmervertreter müssen von Gesetzes wegen eigentlich als Erste über Personal-Planungen informiert werden. Der Siemens-Betriebsrat erfuhr von Löschers Plänen in der Zeitung – „eine Farce“, heißt es bei der IG Metall.
Die Einstellung gegenüber Löscher „hat sich in den letzten Wochen eindeutig gewandelt“, sagt der Betriebsratschef am Wittelsbacherplatz zur AZ. „Wir haben jetzt schon eine exorbitante Arbeitsbelastung“. Wer soll die Arbeit erledigen, wenn Stellen gestrichen werden? „Wenn man uns wenigstens sagen würde ’Leute, wir haben keine Aufgabe mehr für euch’. Aber das passiert ja nicht. So etwas wirkt wie eine Rasenmäher-Methode.“ sun
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