Angst ums Wachstum

Angesichts einer drohenden Rezession fordern Wirtschaftsexperten die Regierung zu öffentlichen Investitionen auf. "Es braucht einen Plan B", sagt Konjunkturexperte Steinherr der AZ.
von  Abendzeitung

Angesichts einer drohenden Rezession fordern Wirtschaftsexperten die Regierung zu öffentlichen Investitionen auf. "Es braucht einen Plan B", sagt Konjunkturexperte Steinherr der AZ.

MÜNCHEN Die Angst vor einer Rezession wird immer größer. Führende Ökonomen fordern von der Bundesregierung, ein Konjunkturprogramm vorzubereiten, wie es die USA derzeit bereits auflegen. Die US-Regierung will über Steuererlasse für Familien und Unternehmen kurzfristig rund 100 Milliarden Euro in die heimische Wirtschaft pumpen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ein solches Programm zuletzt mehrfach abgelehnt.

Dabei häufen sich die Anzeichen, dass die Konjunktur heuer nicht – wie von den Experten vorhergesagt – um zwei Prozent wachsen wird. „Wir haben ein wirkliches Problem“, so Professor Alfred Steinherr, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), zur AZ. „2008 wird konjunkturell ein schwieriges Jahr.“ Das DIW hatte im Herbst ein Wachstum von 2,1 Prozent prognostiziert. „Wenn wir jetzt eine neue Berechnung anstellen müssten, würden wir deutlich darunter liegen.“

"Mit voller Wucht"

Der aktuelle Grund: Die zweimalige Senkung der Zinsen in den USA drückt stark auf den Dollarkurs. „Das wird unsere Wirtschaft mit voller Wucht treffen“, so Steinherr. „Der Euro ist gegenüber der restlichen Welt deutlich teurer, 90 Prozent der deutschen Exporte außerhalb des Euroraums sind betroffen.“ Dazu kommen die immer kräftigeren Tarifforderungen im Vergleich zu den Vorjahren.

Da die Europäische Zentralbank die Zinsen für den Euroraum nicht senke, leide die Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum. Ein Hilfsmittel, um einem weiteren Abflachen des Wachstums frühzeitig zu begegnen, könnte die Fiskalpolitik sein. „Eine Gegensteuerung durch Investitionen in die Verkehrs-Infrastruktur sowie in Forschung und Bildung wäre durchaus willkommen“, so der Konjunkturexperte.

Steuersenkungen nicht sinnvoll

„Die Regierung sollte auf jeden Fall einen Plan B in der Schublade haben“, so Professor Peter Bofinger, Mitglied der „Wirtschaftsweisen“, zur AZ. Dazu sollten öffentliche Investitionen vor allem in Schulen und Universitäten zählen. „Da gibt es ohnehin Defizite.“ Steuersenkungen hält er dagegen nicht für sinnvoll.

Die öffentlichen Investitionen betragen in Deutschland 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. „Da sind wir nur halb so gut wie die anderen Länder im Euroraum. Die geben im Schnitt 25 Milliarden mehr dafür aus“, so Professor Gustav Horn, Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Er empfiehlt insbesondere Investitionen in die Kommunen. „Die haben in den vergangenen Jahren stark unter Einsparungen des Staats gelitten.“

H. Sieger

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