Angriff aufs Bankkonto
MÜNCHEN Es sind Gedankenspiele, die Sparern einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Was wäre, wenn noch mehr europäische Banken einer Pleite entgegentaumeln, fragt EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Und er gibt auch gleich die Antwort: Dann sollen Bankkunden mit Konten über 100000 Euro zur Kasse gebeten werden.
Was hat Barnier konkret vor? Er will eine europäische Behörde zur Bankenabwicklung schaffen. Bis Juni soll ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. Kommt es zum Ernstfall, also einer Bank-Insolvenz, will Barnier zunächst die Eigentümer der Bank zur Kasse bitten – was sich erübrigen dürfte, wenn es sich bei der Bank um eine Aktiengesellschaft handelt. Der Wert der Aktie dürfte bei einer Pleite sowie so abstürzen. Als zweiten Schritt sieht Barnier einen tiefen Griff in die Kasse der Anleihegläubiger vor, die der Bank Geld geliehen haben. Reicht auch das nicht aus, um die Bank geordnet abzuwickeln, müssten Kontoinhaber, die über Spareinlagen und andere Guthaben verfügen, dran glauben. Spareinlagen bis zu 100000 Euro würden aber gesichert. Damit sind nach Barniers Darstellung 95 Prozent aller Sparer aus dem Schneider.
Was bedeutet der Vorschlag für deutsche Sparer? Zunächst einmal nichts. Noch ist es nicht klar, ob es überhaupt ein europäisches Banken-Beerdigungsinstitut geben wird. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt die Idee kategorisch ab. Mit vereinten (europäischen) Kräften zyprische, spanische oder italienische Kreditinstitute abwickeln – das ist keine Idee, mit der er im Wahljahr bei der Bevölkerung punkten könnte. Frankreich, Luxemburg und Dänemark drängen aber auf eine Abwicklungsanstalt. Schäuble führt für seine Bedenken juristische Gründe an: Für eine europäische Institution sei die „rechtliche Basis dünn“, sagt er. Erst müssten die EU-Verträge geändert werden. Auch Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden will nicht, dass der Fall Zypern Schule macht. Investoren würden Gelder aus Europa abziehen, sagt Frieden, wenn Guthaben über 100000 Euro für antastbar erklärt würden.
Aber in Zypern ist genau dies passiert. Droht das nicht auch deutschen Konten? In Deutschland gibt es drei Sicherungssysteme: Die gesetzliche Einlagensicherung – sie umfasst Bankguthaben bis 100000 Euro. Die gesetzliche Einlagensicherung gilt für Deutsche Banken, für ausländische Banken mit eigenen Gesellschaften in Deutschland, aber nicht für ausländische Banken, die in Deutschland nur Filialen betreiben. Daneben gibt es die freiwillige Einlagensicherung der privaten Banken. Sie reicht viel weiter als die gesetzliche Einlagensicherung. Je nach Kreditinstitut sind Anlagen bis zu zweistelligen Millionenbeträgen pro Kunde abgesichert. Für die Institute des Sparkassensystems gibt es einen Haftungsverbund, der „in unbegrenzter Höhe“ für Gelder geradesteht. Dies versichert der Sparkassen- und Giroverband. Das gleiche Versprechen gibt der Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken für seine Institute ab.
Was ist mit ausländischen Banken? Auch sie sind zum großen Teil zusätzlichen Sicherungssystemen angeschlossen. Wer sich über seine Bank im Unklaren ist, sollte eine schriftliche Erklärung über die Einlagensicherung einholen. Generell gilt: Wertpapierdepots – also etwa Fondsanteile, Aktien oder Anleihen – sind im Fall einer Pleite besser abgesichert als Kontoguthaben. Die Bank muss die Wertpapiere getrennt von ihrem übrigen Vermögen verwahren. Bei einer Bankpleite kann der Kunde die Wertpapiere auf ein anderes Depot übertragen. sun
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