Analyse: Ägypten schickt Märkte weltweit auf Talfahrt

FRANKFURT/MAIN - Erst die «Jasmin-Revolution» in Tunesien, nun die Unruhen in Ägypten: Die angespannte Lage in der arabischen Welt treibt Börsianern Sorgenfalten auf die Stirn und schickt die Kurse an den wichtigsten Märkten in den Keller.
Der wichtige US-Leitindex Dow Jones hatte die Talfahrt am Freitag eingeleitet, am Montag folgten die Märkte in Asien und Europa. Sorgen vor einer Ausbreitung der Proteste auf die ölreichen Regionen trieben die Ölpreise. Ägypten ist selbst zwar kein großes Ölförderland, durch den Suez-Kanal werden aber schätzungsweise eine Million Barrel Rohöl aus der Golfregion in Richtung Mittelmeer transportiert.
Die japanische Börse mit ihrem Nikkei-Leitindex für 225 führende Werte verlor am Montag mehr als ein Prozent. Die Börsen in Frankfurt, London und Paris folgten und starteten ebenfalls mit Verlusten in die neue Woche. Der Aktienmarkt in Kairo blieb am Montag geschlossen, nachdem die Kurse dort in der vergangenen Woche schon rapide in den Keller gerauscht waren. Allein am Donnerstag büßte der ägyptische Leitindex EGX30 nahezu elf Prozent ein.
«Nordafrika ist zu einer Brutstätte sozialer Unruhen geworden», sagte Marktanalyst David Buik von BGC Partners in London. Ägypten gleiche einem «brodelnden Vulkan», die Entwicklung sei entmutigend. «Das Fatale an einer solchen Krise ist, dass man sie nicht sauber einschätzen kann», im Gegensatz zu Unternehmensergebnissen oder konjunkturellen fundamentalen Daten, erklärte Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank. «Solche Unsicherheiten hasst die Börse.» Viele fürchteten einen Flächenbrand in der arabischen Welt, die zu einer Verknappung beim Öl führen könnte.
Wie sich die Unruhen in Nordafrika konkret auf einzelne Aktien auswirken können, zeigen die Papiere des Autozulieferers Leoni. Sie gaben am Montag zeitweise um mehr als fünf Prozent nach. Händler begründeten das damit, dass der Konzern Produktionsstätten in Ägypten und Tunesien unterhält. Ein Leoni-Sprecher sagte auf Anfrage von dpa- AFX, dass ihm mit Stand Freitagabend keine Beeinträchtigungen der Produktion in Ägypten bekannt seien. Zudem stabilisiere sich die Lage in Tunesien wieder.
Automobilwerte gehörten zum Wochenauftakt zu den größten Verlierern, die Papiere von Daimler zählten mit einem Minus von zeitweilig mehr als zwei Prozent zu den schwächsten Dax-Werten, die Vorzüge von Volkswagen (VW) sanken um anderthalb Prozent. In Mailand traf es Fiat, in Paris PSA Peugeot Citroën und Renault. Die Anleger fürchteten, dass die Unruhen in Ägypten den globalen Welthandel in Mitleidenschaft ziehen könnten, sagte Jürgen Pieper, Analyst beim Bankhaus Metzler.
Auch Vertreter von Konzernen anderer Branchen zeigten sich besorgt ob der Lage am Nil. Der Energiekonzern RWE, der in Ägypten mehrere Förderprojekte für Öl und Gas hat, richtete nach einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» ein Krisenbüro ein. Insgesamt soll das Unternehmen in dem Land rund 4000 Menschen beschäftigen. Die Öl- und Gasfördertochter RWE/Dea flog 90 Mitarbeiter aus. Die Produktion arbeite aber weiter, erklärte eine Sprecherin.
Am Montag hielten sich die Ölpreise deshalb auf hohem Niveau. Der Referenz-Preis für Nordseeöl kratzte im frühen Handel an der Marke von 100 Dollar je Barrel (159 Liter). Der Brent-Preis kostete damit soviel wie seit 28 Monaten nicht mehr. Händler erklärten, Ägypten sei selbst zwar kein großer Ölproduzent. Es werde aber ein Übergreifen der Unruhen auf andere Länder in Afrika oder im Nahen Osten befürchtet und damit eine Destabilisierung der gesamten Region, in der viele wichtige Ölproduzenten ansässig seien. Die Rohstoff-Experten der Commerzbank betonten, dass Ägypten ein «wichtiges Transitland für den weltweiten Ölhandel» sei.
Abseits der Entwicklung in den arabischen Ländern spricht nach Einschätzung Halvers derweil eigentlich vieles für eine weiter positive Entwicklung an den Aktienmärkten. «Da sieht es eigentlich gut aus.» Auch verwiesen einige Marktteilnehmer darauf, dass die Krise in Nordafrika zum Anlass für Gewinnmitnahmen genutzt werde. Nach den hohen Kurszunahmen der vergangenen Wochen komme es jetzt zu einer Korrektur.
dpa