Amerika törnt uns ab

Die Finanzkrise in den USA wird auch Deutschland schwer zu schaffen machen. 200.000 Arbeitsplätze könnten im nächsten Jahr wegfallen, glauben Experten. Die Preise steigen weiter – und die Konjunktur lahmt. Nun werden Forderungen laut, Europa solle ein Investitionsprogramm auflegen.
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US-Börse Wall Street: Die Krise in Amerika greift nun auch auf Europa und Deutschland über.
dpa US-Börse Wall Street: Die Krise in Amerika greift nun auch auf Europa und Deutschland über.

Die Finanzkrise in den USA wird auch Deutschland schwer zu schaffen machen. 200.000 Arbeitsplätze könnten im nächsten Jahr wegfallen, glauben Experten. Die Preise steigen weiter – und die Konjunktur lahmt. Nun werden Forderungen laut, Europa solle ein Investitionsprogramm auflegen.

Die letzten Wochen seiner Amtszeit als US-Präsident hat sich George W. Bush gemütlicher vorgestellt: ein paar Repräsentationstermine wahrnehmen, den einen oder anderen Staatsgast empfangen und ansonsten möglichst viele lässige Tage auf seiner Ranch verbringen.

Doch seit die Finanzkrise die USA mit Wucht heimsucht, ist es mit der Ruhe vorbei. In einer dramatischen TV-Ansprache warnte Bush jetzt die Amerikaner vor katastrophalen Folgen der Krise. Dem Land stünde eine „lange und schmerzhafte Rezession“ bevor – sollte der US-Kongress nicht schnell das Hilfspaket über 700 Milliarden Dollar genehmigen, das die US-Regierung für die taumelnden Banken geschnürt hat.

Bush traf sich deshalb gestern zu einer Krisensitzung mit den beiden rivalisierenden Präsidentschaftskandidaten John McCain und Barack Obama. Beide sollen bei ihren Abgeordneten dafür sorgen, dass der Rettungsplan schnell durchgeht. Sonst, so Bush, könnten „Millionen Amerikaner ihren Job verlieren“.

Die Folgen für Deutschland werden "sehr schwerwiegend sein"

Doch nicht nur in den USA schürt die Krise die Angst vor einem Kollaps der Wirtschaft. „Sie gewinnt zunehmend auch bei uns an negativem Einfluss“, sagte Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der AZ. Er glaubt: Die Folgen für Deutschland werden „sehr schwerwiegend sein“. Was bedeutet die Finanzkrise für Wachstum und Jobs, für Preise und Zinsen bei uns? Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Rutscht Deutschland in die Rezession? Wir sind schon so gut wie drin. Und wegen der Finanzkrise wird sich daran auch lange nichts ändern. „Die deutsche Wirtschaft wird auf absehbare Zeit kaum wachsen“, so Joachim Scheide zur AZ, Konjunkturchef beim Kieler Institut für Weltwirtschaft.

Hintergrund: Wegen der Krise fallen die USA als Exportmarkt aus. Und auch wichtige europäische Märkte wie Großbritannien, Spanien und Frankreich schwächeln. „Uns bricht derzeit die Nachfrage aus dem Ausland weg“, sagt Alexander Koch, Volkswirt bei Unicredit. Er rechnet für 2009 nur mit gut einem halben Prozent Wachstum. Joachim Scheide glaubt sogar: Es werden nur 0,2 Prozent. Auch Gustav Horn erwartet in den kommenden Monaten eine „Stagnation mit rezessiven Phasen“.

Gehen Jobs verloren? Damit rechnen die Experten fest. „Die Krise wird Arbeitsplätze kosten“, sagt Gustav Horn. Im Laufe des nächsten Jahres werden es bis zu 150000 Jobs weniger sein, meint er. Konjunkturexperte Scheide geht sogar noch weiter: „Ende 2009 werden in Deutschland 200000 Menschen weniger eine Arbeit haben.“

Steigen die Preise weiter so schnell? Lahmt die Wirtschaft, bremst das eigentlich die Inflation. „Allerdings wird das nicht schnell passieren“, meint Joachim Scheide. Grund: Trotz drastisch gefallener Ölpreise ist Sprit noch immer teuer. Außerdem steigen die Gaspreise weiter, weil sie mit Verzögerung auf den Ölpreis reagieren. Insgesamt dürfte daher die Inflation 2009 noch immer bei etwa zwei Prozent liegen.

Wie entwickeln sich die Zinsen? Für Privatkunden dürften sie sinken. Das ist gut für Schuldner, aber schlecht für Zinsanleger. Unicredit-Volkswirt Alexander Koch rechnet damit, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins im Laufe des nächsten Jahres um einen Prozentpunkt auf 3,25 Prozent runternimmt. Ob davon auch Unternehmen profitieren, ist aber fraglich. „Die Banken werden weiter nur zögerlich Kredite vergeben“, meint Joachim Scheide. Das hält das Zinsniveau hoch und hemmt Investitionen.

Wie geht es nach 2009 weiter? „Die Krise wird uns noch sehr lange beschäftigen“, sagt Scheide. Grund dafür ist vor allem, dass die USA ihre Rolle als weltweiter Wachstumsmotor für längere Zeit verlieren. „Amerika wird wachsen – aber nur sehr schwach“, meint Gustav Horn. Das färbt auf Deutschland und Europa ab. Horn fordert deshalb ein Investitionsprogramm der europäischen Staaten. „Wir müssen etwas tun, sonst wird die Krise noch schlimmer.“

Andreas Jalsovec

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