Alles Gute liegt so fern

Sind bayerische Beschäftigte zu sehr auf die Heimat fixiert? Ja, findet MTU-Boss Behle – und rennt damit offene Türen ein
von  Abendzeitung
Der Vorstandsvorsitzende von MTU Aero Engines, Egon Behle
Der Vorstandsvorsitzende von MTU Aero Engines, Egon Behle © dpa

Sind bayerische Beschäftigte zu sehr auf die Heimat fixiert? Ja, findet MTU-Boss Behle – und rennt damit offene Türen ein

MÜNCHEN „Antrieb für die Welt“ – der Triebwerkskomponentenhersteller MTU, eine bayerische Industrieperle, rühmt sich gegenüber der Außenwelt seiner Technologie-Führerschaft. Jetzt soll auch die eigene Belegschaft auf die Firma eingeschworen werden. MTU brauche ein „neues Unternehmensleitbild“, findet Vorstandschef Egon Behle.

Er wolle das „Wir-Gefühl stärken“, sagt Behle zur AZ, und: „Mir scheint, dass manche Beschäftigte MTU durch die München-fokussierte Brille sehen.“ Deswegen will er den Mitarbeitern klarmachen, wie wichtig etwa der chinesische Markt für das Unternehmen ist. 2009 brach der Überschuss von MTU ein, Zuwächse im Luftverkehr erwartet Behle jetzt vor allem von Asien und dem mittleren Osten. Neue Stellen schuf MTU zuletzt in Polen und in China. Das Wartungswerk im chinesischen Zhuhai soll um 10000 Quadratmeter wachsen.

Mit seinem Bemühen um mehr Internationalität im Unternehmen ist Behle nicht allein: BMW etwa hat längst den Schritt vom lokalen zum globalen Konzern gemacht – was sich unter anderem in der Einstellungspolitik widerspiegelt. Die chinesische Controllerin müsse ebenso selbstverständlich sein wie der 30-jährige deutsche Beschäftigte, sagt Unternehmenssprecher Michael Rebstock – sonst habe BMW im Wettbewerb um die besten Kräfte schlechte Karten.

Der Blick ins Ausland ist den Beschäftigten in anderen Unternehmen allerdings gründlich vergällt worden. Zum Beispiel bei Siemens: Glaubwürdig versichert Konzernchef Peter Löscher, er wolle die Führungsmannschaft internationaler ausrichten. Regelmäßig folgte auf die Feststellung, dass der Konzern global agiere, allerdings auch ein erneuter Stellenabbau in Deutschland.

Geknapst und gestrichen wird auch bei MTU. Aufs Einsparprogramm „Impact 100“ folgte „Challenge 2010“, jedes Jahr sollen jetzt bis zu 50 Millionen Euro eingespart werden. „Es muss klar sein, dass wir mit diesem Thema nicht irgendwann aufhören“, sagt Behle. Jeder Arbeitsablauf solle durchleuchtet werden – braucht es für ihn unbedingt fünf Beschäftigte, oder reichen auch drei oder vier? Auch werden Stellen gestrichen. MTU bietet unter anderem Mitarbeitern Altersteilzeit-Verträge an – „einige hundert“ Beschäftigte in sämtlichen Bereichen, heißt es, kämen aus Sicht des Unternehmens zumindest theoretisch dafür in Frage.

Steht MTU also ein dauerndes Tauziehen zwischen Management und Belegschaft um Kosten und Arbeitsplätze bevor? Betriebsratschef Josef Hillreiner winkt ab: Von Kahlschlag könne bei MTU keine Rede sein, sagt er „alles läuft relativ sachte“. Hillreiner hat weitaus Schlimmeres erlebt – den Verkauf von MTU an den Finanzinvestor KKR, den Abbau von 462 Arbeitsplätzen, jede Menge zerschlagenes Porzellan im Betrieb, „das Schlimmste, was einer Belegschaft widerfahren kann“.

Immer wieder hätten Vertreter der Belegschaft seitdem eine Verbesserung der internen Unternehmenskultur gefordert, berichtet er. Vieles sei auch passiert – beispielsweise regelmäßige Mitarbeiterbefragungen und Workshops über Themen wie Familie und Beruf oder den Umgang der Beschäftigten miteinander. Selbst mit seiner Forderung nach mehr internationalem Geist scheint Behle bei Hillrainer offene Türen einzurennen. „Natürlich“, sagt dieser, „liegen die neuen wichtigsten Märkte jenseits von Europa.“

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