Aldi, Lidl und Co. - Discounter erobern Innenstädte

Lange Zeit waren Innenstädte für Lidl und Aldi tabu, denn die Mieten waren zu hoch. Doch das ändert sich langsam.
Erich Reimann, Julia Sextl |
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Kleiner als gewohnt, dafür aber zentral: die Lidl-Filiale in der Zweibrückenstraße am Münchner Isartor.
Kleiner als gewohnt, dafür aber zentral: die Lidl-Filiale in der Zweibrückenstraße am Münchner Isartor. © Lidl/obs

München - Es war ein Novum, als Lidl in München die erste Innenstadtfiliale am Isartor eröffnet hat. Doch nicht nur wegen der Lage - es handelte sich zudem um die kleinste Filiale Deutschlands, wie es damals hieß. Und die rund 500 Quadratmeter Verkaufsfläche scheinen zu funktionieren, der Laden ist gut frequentiert.

Waren Lebensmitteldiscounter bislang eher außerhalb der Innenstädte zu finden - geprägt von größeren Verkaufsflächen und Parkplätzen -, verändern sie langsam das Bild der deutschen Innenstädte. Sie drängen in die Einkaufsstraßen, da immer mehr Modegeschäfte wegen der Online-Konkurrenz und der Auswirkungen der Corona-Krise aufgeben müssen.

"Wo immer es vom Mietpreisniveau her klappt, versuchen die Discounter in die absoluten 1a-Lagen zu kommen", sagt Dirk Wichner, Leiter der Einzelhandelsvermietung Deutschland beim internationalen Maklerkonzern JLL.

Aldi Süd mietet sich bei Galeria Karstadt Kaufhof ein

Jahrelang waren die vielbesuchten Stadtzentren bundesweit eine Art No-Go-Area für die Billiganbieter. Die Mieten waren einfach zu hoch, um dort Lebensmittel zum Discount-Preis anbieten zu können. "Das hat sich grundlegend geändert, seitdem immer mehr Textilhändler aufgeben müssen", so Wichner.


Die Discounter machen aus ihren Plänen auch gar keinen Hehl. Aldi Süd ist "stadtklar" und "bereit, zukünftige Möglichkeiten zu nutzen und als Frequenzanker Lücken in den Innenstädten zu schließen", teilte Justus Rehn der AZ auf Anfrage mit. Er ist als Prokurist und Leiter der Filialentwicklung bei Aldi Ebersberg auch für München und den Landkreis zuständig.

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Allein in Zusammenarbeit mit Galeria Karstadt Kaufhof habe der Discounter bereits sieben innenstädtische Filialen verwirklicht. Eine davon in Bayern, die in diesem Monat in Augsburg eröffnet worden sein, so Rehn. In Düsseldorf hat der Discounter außerdem mittlerweile gleich zwei Läden in der Fußgängerzone und in Stuttgart ist er wohl bald auf der Königsstraße zu finden.

Lidl ist  längst auf dem Weg in die City

Auch Aldi Nord realisiere "mehr und mehr Märkte auch in direkten Innenstadtlagen, Shopping-Centern und Fußgängerzonen an zentralen städtischen Knotenpunkten", berichtet ein Unternehmenssprecher. Möglich würden solche zentralen Lagen nicht zuletzt durch immer mehr frei werdende Einzelhandelsflächen in den Innenstädten.

Erzrivale Lidl ist ebenfalls längst auf dem Weg in die Citys. So gibt es etwa in München nicht nur die Filiale im ehemaligen McDonald's an der Zweibrückenstraße (S-Bahnstation Isartor) - in einem schmucken, denkmalgeschützten Haus aus dem Jahr 1903. Es gibt noch mehr kleinere Läden, etwa an der viel frequentierten Leopoldstraße (am U-Bahnhof Giselastraße ) oder im Elisenhof am Hauptbahnhof.

Dass die Geschäfte meist an gut erreichbaren Orten liegen, ist wohl kein Zufall. Auch Aldi hat diese Lagen im Visier: "Uns interessieren in Innenstädten und Stadtteilzentren idealerweise Hochfrequenzlagen an Knotenpunkten des öffentlichen Lebens mit guter ÖPNV-Anbindung, hoher Bevölkerungs- sowie Bürodichte und einem attraktiven Handelsumfeld", sagt Rehn. Derzeit befänden sich bei Aldi Süd einige Projekte in München in der Planungsphase.

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Zielgruppe der neuen City-Läden sind neben den Anwohnern auch Pendler, die auf dem Heimweg schnell ihren täglichen Einkauf erledigen wollen. Die hohen Passantenfrequenzen machten die Geschäfte in den Innenstädten attraktiv, sagt Wichner. "Es findet ein knallharter Wettbewerb um die besten Standorte zwischen den Discountern statt. Da wird mit harten Bandagen gekämpft."

Rewe und Edeka haben vorgemacht, dass kleinere Läden funktionieren

Darauf weist auch Wolfgang Fischer,  Geschäftsführer von City-Partner München., hin. Er geht davon aus, dass Discounter in München nicht den Bereich der Fußgängerzone, sondern eher die gründerzeitlichen Wohngebiete um die Altstadt bevorzugen. Denn: "Auch ein kleinerer Markt, der fußläufig zu erreichen ist, braucht ein Einzugsgebiet mit ausreichend Bewohnerinnen und Bewohner", sagt Fischer. Die Zahl der Anwohner innerhalb des Altstadtrings sei mit insgesamt rund 7.000 allerdings sehr gering.

Zudem gibt es innerhalb des Altstadtrings bereits eine Reihe von Angeboten im Lebensmittelbereich. Auch Rewe und Edeka haben mit ihren To-Go- und Xpress-Filialen bereits vorgemacht, dass kleinere Läden funktionieren.

Wolfgang Fischer, Geschäftsführer von City-Partner München.
Wolfgang Fischer, Geschäftsführer von City-Partner München. © privat

Und auch die Mieten seien in der Münchner Innenstadt immer noch deutlich höher als andernorts, sagt Fischer. "Klar ist aber auch, dass, wenn eine bestimmte Kaufkraft auf mehr Angebote trifft, dass der Wettbewerb sich verschärft." Ein Garant für Erfolg sind die Innenstadtlagen also nicht.

"Das ist nicht unbedingt ein Selbstläufer", sagt auch Handelsexperte Marco Atzberger vom Handelsforschungsinstitut EHI. "Die klassischen Läden haben nicht ohne Grund große Parkplätze vor der Tür. Die Kunden sollen einen möglichst großen Einkauf tätigen und ihn dann bequem nach Hause transportieren." Das sei in einer Fußgängerzone nicht möglich und werde Auswirkungen auf die Größe des Einkaufs haben. "Das sind Experimente", meinte Atzberger mit Blick auf die City-Läden.

Dass die Discounter bereit sind, das "Experiment Fußgängerzone" trotz der damit verbundenen finanziellen Risiken zu wagen, liegt nicht nur an den gesunkenen Mieten in den Innenstädten. Die Stadtzentren sind für die Discounter auch die letzten weißen Flecken auf ihrer Deutschland-Karte.

Auch Baumärkte und Ikea experimentieren mit Innenstadtlagen

Und der Druck auf die Discounter ist groß, sich neue Wachstumsmöglichkeiten zu erschließen. Denn die Corona-Krise bescherte zwar allen Lebensmittelhändlern bundesweit erhebliche Umsatzzuwächse. Doch schlugen sich die großen Supermarktketten deutlich besser als die Billigkonkurrenz.

Edeka, Rewe und Co. kamen nach den Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in den ersten neun Monaten dieses Jahres auf ein Umsatzplus von 16,5 Prozent, während sich Aldi, Lidl und Co. mit einem Wachstum von "nur" 9,2 Prozent zufrieden geben mussten.

"Die Innenstädte sind für die Discounter noch Neuland. Aber ich bin mir sicher, wir werden in den nächsten Jahren dort viel mehr Filialen sehen. Die Discounter geben im Kampf um die Standorte dort richtig Gas", meint Branchenkenner Wichner.

Und auch andere Händler sind dabei, den Schritt in die bislang vom Modehandel dominierten Innenstädte zu wagen. Immobilienexperte Atzberger berichtete: "Nicht nur die Discounter liebäugeln mit neuen Standorten in den 1a-Lagen der Innenstädte. Auch Baumärkte und Möbelhändler wie Ikea experimentieren damit."

Ikea beispielsweise hat in Hamburg 2014 seinen ersten City-Ikea in der Fußgängerzone in Altona eröffnet - und dazu gleich noch die kostenlose Ausleihe von Lastenfahrrädern für die Kunden angeboten, um die Einkäufe nach Hause zu transportieren.

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