Abstieg eines Raffkes
Fast fünf Stunden lang haben Justizbeamte das Haus des Post-Chefs gefilzt. Dann musste Klaus Zumwinkel zum Verhör. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Der Mann, der immer mehr wollte. . .
VON ANDREAS JALSOVEC
Im Büro von Klaus Zumwinkel hängt ein imposantes Ölgemälde. Ein bärtiger Herr blickt darauf in Bismarck-Pose leicht verklärt in die Ferne. Der Mann auf dem Ölschinken ist Heinrich von Stephan, Bismarcks Generalpostmeister. Für den heutigen Post-Chef Klaus Zumwinkel ist er ein leuchtendes Vorbild, weil er im 19. Jahrhundert das deutsche Postwesen einte.
Wenn der Ölgewordene allerdings am Donnerstagfrüh hätte sehen können, was sich zu seinen Füßen zutrug – er hätte wohl vor Scham die Augen verschlossen. Um 7 Uhr stürmten Beamte der Staatsanwaltschaft Bochum in Begleitung der Polizei in Zumwinkels Büro. Zeitgleich fuhren vor der Nobelvilla des Post-Chefs im Kölner Nobel-Stadtteil Marienburg zwei schwere Limousinen mit Blaulichtern vor. Fahnder durchsuchten das Gebäude. Nach fünf Stunden wurde Zumwinkel von den Beamten aus der Villa geführt und zum Verhör bei der Staatsanwaltschaft gebracht.
Haftbefehl außer Vollzug gesetzt
Grund für die dramatischen Szenen vor dem Haus des einflussreichen Post-Chefs: Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Zumwinkel der Steuerhinterziehung in Höhe von einer Million Euro. Ein Haftbefehl gegen den Manager sei „gegen eine Sicherheitsleistung in nicht unerheblicher Höhe“ außer Vollzug gesetzt worden, so ein Sprecher. Zumwinkel sei vorerst auf freiem Fuß.
Wie es hieß, soll der Wirtschaftslenker in den vergangenen Jahren mit Hilfe einer Stiftung im Fürstentum Liechtenstein jahrelang Geld an den deutschen Steuerbehörden vorbeigeschleust haben. Sollten diese Vorwürfe zutreffen, dann drohen Zumwinkel bis zu fünf Jahre Haft.
Debatte um Maßlosigkeit deutscher Manager
Ob der Post-Chef wirklich krumme Dinger gedreht hat, muss sich in den Ermittlungen erst noch herausstellen. Mit den Vorwürfen gegen ihn erreicht aber die Debatte um Maßlosigkeit und Raffgier deutscher Manager einen neuen Höhepunkt.
Schon Ende 2007 hatte Zumwinkel bundesweit die Empörung auf sich gezogen, als er ein Post-Aktienpaket von 4,7 Millionen Euro verkaufte. Er strich einen Reingewinn von gut zwei Millionen Euro ein – dank eines Kurssprungs, den die Post-Aktie nach der Entscheidung der Politik für den Mindestlohn im Postgewerbe gemacht hatte.
"Sein Geld nicht wert"
Die jetzigen Ereignisse fachen die Diskussion erneut an. „Deutsche Manager langen immer wieder kräftig zu“, meint Ekkehard Wenger, Würzburger Banken-Professor und Manager-Kritiker. Oft zu kräftig – das gelte auch für Klaus Zumwinkel: „Schauen Sie sich den Kurs der Post-Aktie an“, so Wenger. „Dann wissen Sie, dass Herr Zumwinkel sein Geld nicht wert ist.“ Tatsächlich ging die „Aktie Gelb“ nach Bekanntwerden der Ereignisse um den Postchef kräftig hoch. „Da freut sich wohl schon der eine oder andere, dass Häuptling Silberlocke zurücktritt“, so ein Börsianer.
Bei den Postbediensteten dagegen herrschte gestern das blanke Entsetzen über die Geschehnisse in Köln und Bonn. „Bei mir steht das Telefon nicht still“, berichtet Anton Hirtreiter, bei der Gewerkschaft Verdi in Bayern für die Postdienste zuständig. „Die Kollegen sind fassungslos. Sie möchten wissen, ob an den Vorwürfen was dran ist.“
Ohnehin schon Multimillionär
Mit einem Verdienst von drei Millionen Euro pro Jahr gehört der 64-jährige Zumwinkel zwar nicht zu den Top-Verdienern unter Deutschlands Managern. Der Ex-McKinsey-Mann ist aber immer noch ein Krösus verglichen mit seinen Bediensteten. Die bekommen im Schnitt rund 28000 Euro im Jahr. Ihr Chef verdient also mehr als das Hundertfache.
Dabei hätte der promovierte Betriebswirt das Geld eigentlich gar nicht nötig. Zumwinkel stammt aus einer wohlhabenden Unternehmerfamilie. Seinem Vater gehörten die Zumwinkel-Handelsunternehmen – zehn Kaufhäuser und 50 Discount-Läden. Der Kaufmann starb früh. Klaus und sein Brunder sanierten das Unternehmen und verkauften es an den Handelskonzern Rewe. Seitdem ist Klaus Zumwinkel Multimillionär .
Bei manchem Arbeitnehmer gilt er deswegen als „feiner Pinkel der es die Leute nur nicht merken lässt“. Bei den meisten Beschäftigten jedoch ist der stets leise und zurückhaltend, oft etwas onkelhaft auftretende Zumwinkel gut gelitten. Vor allem, weil er „aus der Behördenpost ein profitables Weltunternehmen gemacht hat“, sagt Verdi-Mann Hirtreiter. Mittlerweile macht die Post 60 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. In Deutschland dagegen hat Zumwinkel rund 160000 Jobs abgebaut. Folge: „Die Arbeitsbelastung für die Kollegen ist enorm gestiegen“, so Hirtreiter.
"Die größtmögliche Herausforderung"
Zumwinkel führt die Post seit 18 Jahren. Damals wechselte er vom Chefsessel des Versandhauses Quelle zur Deutschen Bundespost. Weniger als die Hälfte als bei Quelle habe er am Anfang bei der Post verdient, sagt er. Das sei für ihn einfach die „größtmögliche Herausforderung“ gewesen: aus dem Staatsbetrieb einen profitablen Konzern zu machen.
Kein Zweifel: Das hat der feine Kaufmanns-Sohn geschafft. Und in diesem Jahr noch wollte sich Zumwinkel eigentlich einen glanzvollen Abgang verschaffen. Mit dem Verkauf der Konzerntochter Postbank wollte er den Konzern fit machen für die Zukunft – ganz ähnlich wie vor mehr als 100 Jahren sein Vorbild Heinrich von Stephan. Daraus jedoch wird nun wohl nichts mehr werden.
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