Ablenkungsmanöver
"Die Parteien provozieren lieber, als Jobs zu retten": Angela Böhm, Landtagskorrespondentin der AZ, über die Guantánamo-Häftlinge.
Nebenkriegsschauplätze waren in der Geschichte der Menschheit schon immer ein beliebtes Mittel, um den Gegner zu verwirren und gezielt abzulenken. Politiker beherrschen diese trickreiche Taktik besonders gut. Diese Woche stürzten sich im bayerischen Landtag alle fünf Parteien auf 17 Guantanámo- Häftlinge. Uiguren! Ein stolzes kleines Volk in China, das dort verfolgt wird.
Dass das US-Gefängnis Guantánamo ein Schandfleck der rechtsstaatlichen Welt ist, ein Ort, an dem Menschenrechte brutal mit Füßen getreten wurden, steht außer Frage. Dass Bayern unschuldige Guantanámo-Häftlinge aufnehmen soll, ist ehrenhaft und human.
Aber bitte, liebe Politiker, da geht es noch um ungelegte Eier. Statt Dringlichkeitsanträgen im Landtag hätte Bayern viel eher einen Auslieferungsantrag an die USA stellen müssen. Denn die Obama-Regierung hat bisher weder in Deutschland noch im Freistaat angefragt.
Aber bei den Guantánamo-Häftlingen ist es für die Volksvertreter einfacher, sich gegenseitig zu provozieren und Antworten auf Fragen zu geben, die noch gar nicht gestellt sind.
Sonst müssten sich die Parteien in Bayern ja mit der Weltwirtschaftskrise beschäftigen, die auch den Freistaat an allen Ecken und Enden erreicht hat. Wie können Arbeitsplätze gerettet werden? Wie schaffen wir es durch die Krise? Das sind jetzt die brennenden Fragen. Aber auf die haben die Politiker halt keine Antwort. Deshalb suchen sie sich lieber spektakuläre Nebenkriegsschauplätze.
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