180-Grad-Wende: Zocker-Abgabe soll kommen

Kanzlerin Angela Merkel macht eine 180-Grad-Wende: Am Sonntag war sie noch dagegen, jetzt will sie doch eine Finanzmarkt-Steuer einführen. Die AZ erklärt, wie es dazu kam und was es bringen kann.
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Volker Kauder (CDU  - l), die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, und Hans-Peter Friedrich, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag
dpa Volker Kauder (CDU - l), die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, und Hans-Peter Friedrich, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag

BERLIN - Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel macht eine 180-Grad-Wende: Am Sonntag war sie noch dagegen, jetzt will sie doch eine Finanzmarkt-Steuer einführen. Die AZ erklärt, wie es dazu kam und was es bringen kann.

Das ging schnell: Binnen 48 Stunden hat die Regierung samt Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Meinung geändert – jetzt will sie doch eine Finanztransaktionssteuer. Allerdings nicht ganz freiwillig.

Was ist das für eine Steuer? Die Finanztransaktionssteuer (FTS; oft liest man auch das englische Kürzel FTT) wird bei jeder Transaktion neu fällig und soll damit vor allem jene Spekulanten treffen, die kurzfristig auf minimale Kursschwankungen wetten. Anleger, die nicht alle paar Minuten umschichten, wären weniger stark betroffen. „Eine Art Sand im Getriebe“, so DIW-Experte Stefan Bach zur AZ. Dann gibt es noch die Finanzaktivitätssteuer (englisch FAT), die auf Bank-Gewinne fällig wird – sie war Merkels Favorit.

Warum jetzt die Kehrtwende? Noch am Sonntag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, die Finanztransaktionssteuer käme nicht in Frage, weil sie international nicht durchsetzbar sei und ein deutscher Alleingang keinen Sinn mache. Hintergrund ist auch, dass die FDP vehement gegen diese Steuer ist und Merkel ihr die nächste Niederlage ersparen wollte. Doch dann erklärten die Euro-Finanzminister in der Nacht auf Dienstag, alle Euro-Länder wollten die Finanztransaktionssteuer. „Es wird so sein, dass auch die bezahlen müssen, die nicht unschuldig sind an dem Schlamassel“, so Eurozonen-Chef Jean-Claude Juncker. Da brach die Begründung mit der mangelnden Durchsetzbarkeit zusammen.

Was macht die Regierung jetzt? Der Koalitionsausschuss einigte sich gestern schnell: Die Regierung will eine „Finanzmarktsteuer“, verkündeten die Fraktionschefs Volker Kauder (CDU) und Birgit Homburger (FDP). Das lässt vorerst offen, welche der Optionen es wird. Wie man die FDP umgestimmt habe? Peter Altmaier (CDU): „Manchmal haben Wahlergebnisse pädagogische Effekte.“ Außerdem hatten einerseits die CSU und andererseits SPD und Grüne die FTS als Bedingung für ein Ja zum Euro-Paket gemacht. Allerdings heißt das nicht, dass die Steuer für Deutschland bereits beschlossen wird – man will sich auf EU-Ebene nun dafür einsetzen. Die Frage ist noch, ob ein EU-Alleingang sinnvoll ist. Juncker sagt Ja: „Wir können uns nicht immer hinter den Amerikanern verstecken.“ Auch DIW-Experte Bach hält es für denkbar: „Die EU kann ja mit niedrigen Sätzen den Anfang machen.“

Was bringt die Steuer? Das Wiener Wifo-Institut hat sich in mehreren Studien damit beschäftigt und sieht große Vorteile der FTS – weil sie eben auch den Markt reguliert und die Zocker bremst, während Merkels FAT-Abgabe „nur“ Bank-Gewinne abschöpft – wobei das Wifo auch vorschlägt, gleich beides einzuführen. Die FTS brächte dem deutschen Staat in der jetzt diskutierten Höhe von 0,05 Prozent pro Transaktion Einnahmen in Höhe von mindestens zehn Milliarden Euro.

DIW-Fachmann Bach ist von der markt-regulierenden Wirkung der FTS nicht ganz so überzeugt. Aber für sinnvoll hält er sie trotzdem: „Warum nicht? Sie bringt hohe Einnahmen – und zwar viel unschädlicher, als wenn man etwa die Unternehmenssteuer erhöhen würde. Sie schröpft die Reichen, ohne sie so zu kneifen, dass es dem Wachstum schadet.“ Die paar Promille der FTS „tun nicht weh“, sagt Bach. Er erinnert an die 1990 abgeschaffte Börsenumsatzsteuer: „Damals wollte man die Finanzmärkte stärken. Heute sind sie uns über den Kopf gewachsen.“ tan

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