15 000 Kündigungen beim ADAC
Die Quittung für die Tricks: Tausende verlassen den in Verruf geratenen Autofahrerverein
München – Der ADAC geht nach dem Skandal um den Autopreis „Gelber Engel“ und weiteren Ungereimtheiten derzeit von knapp 15 000 Kündigungen von Mitgliedern aus. Die Anzahl der schon bearbeiteten Kündigungen, die aufgrund von geltenden Fristen erst in den kommenden Monaten wirksam werden, lag Ende Januar 2014 bei 66 233 – im Vorjahr waren es lediglich 51 805. „Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil dieser knapp 15 000 Kündigungen auf die jüngsten Entwicklungen zurückzuführen ist“, erläuterte der Club am Montag. Neulich hatten in einer Umfrage 7 Prozent der 19 Millionen Mitglieder erklärt, dass sie wegen des Skandals den Verein verlassen wollen.
Außerdem wurden etwas seltsame Details über die Mitglieder-Werbung des ADAC bekannt - sogar sechsjährige Mädchen sind im Visier. Wofür genau gibt es den ADAC? Hanna und Juli Sittig täten sich vermutlich schwer, diese Frage zu beantworten. Doch die beiden sechsjährigen Zwillingsschwestern sind ADAC-Mitglieder, genauso ihre achtjährige Schwester Paula. Unaufgefordert schickte ihnen der Club Mitgliedskarten zu. Auch Mathis S. aus der Nähe von München wurde unverhofft zum ADAC-Mitglied. Ein freundlicher Gratis-Service für den Teenager? Wie man’s nimmt: Zwei Wochen vor seinem 19. Geburtstag bekam er eine Rechnung des ADAC. Er sei „Young Driver“-Mitglied. Dafür werde nun der Jahresbeitrag fällig.
Zwei Fälle, die die Stiftung Warentest schildert – der erste Fall mit den drei Mädchen geht auf die persönlichen Erfahrungen eines „Finanztest“-Redakteurs zurück. Es sei vollkommen schleierhaft, was die Club-Mitgliedschaft Kindern bringen solle, stellt die Stiftung fest: „Brauchen Sechsjährige Pannenhilfe? Oder ein Fahrsicherheitstraining für den Bobbycar? Selbst bei Jugendlichen sind die angeblichen Clubvorteile überschaubar. Dass es Rabatt ausgerechnet in einer großen Fast-Food-Kette gibt, werden nicht nur ernährungsbewusste Eltern eher mit gemischten Gefühlen sehen.“
Besonders ärgerlich: Entgegen der Gesetzeslage versucht der Club, von den unfreiwilligen Mitgliedern Beiträge einzufordern. Mathis S., berichtet die Stiftung Warentest, habe wenige Wochen nach der Rechnung eine Zahlungserinnerung bekommen, ein paar Wochen später eine zweite Erinnerung und im Dezember eine Mahnung: „Alles, was Sie jetzt tun müssen, ist den Mitgliedsbeitrag zu überweisen“. Möglicherweise setzt der Club darauf, dass die jungen Erwachsenen oder deren Eltern glauben, mit Eintreten der Volljährigkeit würden Verträge, denen in den Jahren zuvor nicht widersprochen worden sei, tatsächlich gültig. Das Gegenteil ist aber der Fall: Ein Minderjähriger kann ohne Einwilligung seiner Eltern keinen Mitgliedsvertrag abschließen. An der Ungültigkeit dieser Verträge ändert sich auch mit dem 18. Geburtstag nichts. Anders ist es, wenn der junge Erwachsene aus Angst vor Scherereien zahlt – dann müsste er sich vorhalten lassen „konkludent“ zu handeln, also indirekt den Vertrag doch anzuerkennen. Der Rat der Tester an ADAC-Geschädigte ist deswegen eindeutig: „Die Rechnungen, Erinnerungen und Mahnungen des ADAC ignorieren.“
Der ADAC nahm bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine Stellung zu den Vorwürfen. Währenddessen kehren ihm etliche Menschen den Rücken: Rund 15000 kündigten nach den jüngsten Negativ-Schlagzeilen. Irritiert ist der eine oder andere möglicherweise auch über eine angebliche Vermengung von Ehrenamt und Zahlungen. Die Mitglieder des Präsidiums arbeiten eigentlich ohne Bezahlung. Nach einem Bericht der „SZ“ weiß Präsident Peter Meyer aber seine Position durchaus wirtschaftlich zu nutzen – wenn auch nicht zu seinen eigenen Gunsten: Der von ihm geleitete Regionalverband Nordrhein soll dem Unternehmen eines Vorstandskollegen 200 000 Euro „Werbekostenzuschuss“ für ein Fernsehstudio am Nürburgring gezahlt haben. Der Club dementierte allerdings den Eindruck, der Firma sei zu Lasten des ADAC Geld zugeschustert worden: Dem Verein sei kein Schaden entstanden, heißt es.
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