Wenn Eltern bei Facebook sind
München - Als auf Lottas (Name geändert) Computerbildschirm die Nachricht „Abendessen ist fertig“ aufpoppte, wunderte sie sich schon sehr. Die Facebook-Nachricht war von ihrer Mutter, sie war nur wenige Meter entfernt in der Küche. „Ich dachte nur: ‚Hä, wir sind im gleichen Gebäude‘“, erzählt die 17-Jährige aus München. „Sie hätte mich auch einfach rufen können.“ Ihre Mutter hatte sich gerade bei Facebook angemeldet – sehr zu Lottas Missfallen.
Oft mögen es Jugendliche nicht, wenn die Eltern sich in dem sozialen Netzwerk registrieren. „Es war wie ein Einbruch in meine persönliche Welt“, sagt Lotta. Auch Kathrin Demmler vom JFF-Institut für Medienpädagogik in München beobachtet, dass Jugendliche Raum für sich möchten.
Facebook ist ein Raum, in dem Eltern erstmal keinen Platz haben
Facebook ist so ein Raum – eine Welt, in der Jugendliche mit ihren Freunden kommunizieren und Eltern erstmal keinen Platz haben. „Jugendliche würden ja auch nicht mit ihren Eltern ins Jugendzentrum gehen“, sagt Demmler.
Lotta erinnert sich noch, wie sie plötzlich eine Freundschaftsanfrage von ihrer Mutter bekam. Eigentlich wollte sie die Anfrage ablehnen, doch sie hatte das Gefühl, keine Wahl zu haben. Um einem Streit darüber aus dem Weg zu gehen, klickte sie auf „Annehmen“. Sie befürchtete, dass ihre Mutter sie mit ihrer neuen Facebookpräsenz kontrollieren wollte. Und plötzlich kamen sie – die Fragen der Mutter. „Sie wollte wissen, wo dieses oder jenes Foto entstanden ist, was ich da mit wem genau gemacht habe“, erzählt Lotta.
Eltern sollten soziale Netzwerke nicht zum Ausspionieren nutzen
Wenn die Eltern das Medium zum Ausspionieren nutzen, schränkt das die Jugendlichen stark ein, findet Kristin Langer von „Schau hin“. Die bundesweite Initiative gibt Tipps zum Umgang mit Medien. Jugendliche sollten das ansprechen, aber auch überlegen, was die Ursachen dafür sind. Denn gerade in der Pubertät sind viele nicht besonders mitteilungsbedürftig.
Die Eltern sorgen sich dann, brauchen Klarheit darüber, was ihr Kind so treibt. „Wenn Jugendliche es schaffen, auch mal über ihren Schatten zu springen und von sich aus drei Sätze über die Schule sagen, reicht das oft schon“, rät Langer. Das beruhigt die Eltern, sie haben den Eindruck, am Leben des Kindes teilzuhaben.
Jugendliche können steuern, was Eltern alles wissen dürfen
Wenn Jugendliche sich mit den Privatsphäre-Einstellungen auf Facebook auskennen, kann das nur von Vorteil sein. Denn mit ihnen können sie festlegen, wer ihre Online-Aktivitäten sehen kann und wer nicht. „Sie sollten ihre Facebookfreunde in verschiedene Gruppen unterteilen“, rät Frank Spaeing, Sprecher der Initiative „Datenschutz geht zur Schule“ vom Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands.
„Eine Gruppe kann dann für die Eltern sein.“ Für diese Gruppen sollten die Jugendlichen dann individuell einstellen, welche Informationen und Einträge sie mit ihnen teilen. „So können sie gut steuern, was die Eltern so alles mitbekommen“, sagt Spaeing.
„Meine Mutter hat ein Katzenfoto als Profilbild – peinlich!“
Doch manchmal nerven die Eltern auch mit Fotos oder Status-Updates, die sie auf Facebook verbreiten. Lottas Mutter hatte lange Zeit ein Katzenfoto als Profilbild. Das war der Jugendlichen unangenehm.
Manche Eltern kommen gar auf die Idee, Fotos von ihren Kindern auf Facebook zu teilen. „Manchmal ist es nur gut gemeint“, sagt Langer von „Schau hin“. „Doch wenn die Mutter zum Geburtstag ein altes Kinderfoto postet, um zu gratulieren, ist das vielen peinlich.“ Schließlich muss nicht die halbe Schule wissen, dass der athletische Sportfan früher mal pummelig war.
Langer betont, dass auch Kinder ein Recht am eigenen Bild haben – und Fotos von ihnen nicht einfach verbreitet werden dürfen.
Oft wissen die Eltern nicht, wie sie das Medium richtig nutzen
Es kann auch peinlich sein, wenn die Eltern Posts der Jugendlichen kommentieren oder private Unterhaltungen auf der Pinnwand führen. „Manche Themen gehen nur die Familie etwas an“, sagt Langer. Oft wissen die Eltern gar nicht, wie man die soziale Plattform richtig bedient. Sie verstehen nicht, wann eine Konversation privat und wann sie für alle sichtbar ist. Und dann landet die Frage „Brauchst du noch neue Fußpilzcreme aus der Apotheke?“ nicht im privaten Nachrichtenpostfach, sondern auf der öffentlichen Pinnwand.
Über so etwas ärgern sich Jugendliche. Doch sie sollten das auch als Chance begreifen, den Eltern das soziale Netzwerk zu erklären. „Sie können mit eigenem Know-how punkten“, sagt Spaeing. Normalerweise erklären die Erwachsenen den Jugendlichen, wie Dinge funktionieren – nun ist es umgekehrt. Auch Lotta hat ihrer Mutter erklärt, wozu ein Profilbild da ist. „Seitdem sind die Katzenfotos verschwunden.“
Das Interesse der Eltern kann für Jugendliche auch von Vorteil sein
Wenn die Eltern Interesse an sozialen Medien haben und ein Verständnis dafür entwickeln, kann das auch den Jugendlichen helfen. Sie können sich bei Problemen im Netz Rat von den Eltern einholen.
„Wenn ein Klassenkamerad zum Beispiel ein peinliches Foto von einem selbst postet und man sich nicht sicher ist, wie man damit umgehen soll, kann man sich an die Eltern wenden“, erklärt Langer.
Auch Lotta hat sich inzwischen damit arrangiert, dass ihre Mutter bei Facebook ist. Zwischenzeitlich hatte sie ihr die Freundschaft gekündigt, weil sie so genervt war. „Sie hat immer irgendwelche komischen Dinge geteilt“, erzählt sie. Doch als ihre Mutter sie darauf angesprochen hat, ist Lotta zurückgerudert. Heute führen sie und ihre Mutter eine friedliche Koexistenz auf Facebook.
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