Senioren und die digitale Welt: "Das Handy ist super fürs Gehirn-Jogging"

München - Durch Corona ist der Alltag massiv digitaler geworden. Wer jetzt nicht ins Internet kommt, kein Handy hat und keinen WLAN-Zugang, kann kaum ein Ticket buchen. Als die Ämter im Lockdown keinen Publikumsverkehr mehr hatten, konnte der Pass nur online verlängert werden.
"Wie gehe ich online?" - in ihren Kursen zeigt IT-Trainerin Dorothea von Wieck (60) älteren Münchnern die digitale Welt. In ihren Kursen an der Volkshochschule, in Altenheimen und privat berät sie zum Beispiel zum Kauf von Geräten und gibt Sicherheitstipps für Passwörter und zum Einkaufen im Netz.
AZ: Frau von Wieck, ist es inzwischen ein Muss digital unterwegs zu sein?
DOROTHEA VON WIECK: Für Menschen ohne Zugang zur Online-Welt wird es immer schwieriger, das kann ich nicht anders sagen. Bankfilialen schließen. Die Bahntickets werden online gekauft, Hotels inzwischen fast immer online gebucht. Während des Corona-Lockdowns waren Senioren ohne Handy und Computer komplett abgeschnitten. Sie hatten wirklich ein Problem: Viele wussten zum Beispiel nicht, wo sie sich impfen lassen konnten. Ohne Hilfe konnten sich viele alte Menschen nicht auf die Warteliste für einen Termin im Impfzentrum setzen lassen. Es gibt Senioren ohne Internet-Zugang, die bleiben still und leise Zuhause, sagen nichts - und verschwinden.
"Die meisten Kinder haben nicht die nötige Geduld"
Wo liegt das Problem?
Ältere Menschen haben oft Angst vor der Online-Welt. Sie hören von gefährlichen Hackern, Angriffen durch Computerviren und sorgen sich um ihre Sicherheit. Die Stadt München kümmert sich übrigens mehr als andere Städte darum, dass die Münchner Senioren Zugang zum Netz bekommen. Es gibt viele Kurse, die nichts kosten. Auch meine Kurse in der Volkshochschule sind für Senioren mit wenig Geld umsonst. Melden Sie sich an!

Reicht es nicht, wenn Kinder, Freunde und Nachbarn aushelfen?
Bei Senioren, die Kinder haben, geht es noch. Die übernehmen die wichtigsten Aufgaben im digitalen Leben. Doch die meisten Kinder haben keine Geduld, ihren Eltern zu erklären, wie sie mit dem Smartphone umgehen. Sie können das nicht in Ruhe zeigen.
Das ist ihr erster Punkt.
Senioren müssen sich Hilfe holen: im Alten- und Service-Zentrum, bei der Nachbarschaftshilfe oder in einem Kurs an der VHS. Ab 80 Jahren wird es schwer mit dem sich Sachen merken können. Aber mit fünf Wiederholungen geht es, das erlebe ich immer wieder.
IT-Trainerin von Wieck: "Arbeiten mit dem Handy ist ein super Gehirnjogging"
Was halten sie von extra Seniorenhandys?
Wenig. Denn die sind so speziell. Wer ein Seniorenhandy hat, ist total isoliert. Diejenigen, die zu helfen versuchen, kennen sich nicht aus. Am besten kauft man ein Smartphone, das die Kindergeneration beherrscht. Dann können Tochter und Sohn bei kleinen Fragen kurz helfen. Was viele nicht wissen: Das Positive am Arbeiten mit dem Handy ist, es ist ein super Gehirnjogging - ich halte es für das perfekte Training für den Kopf.
Wie lernen ältere Menschen denn gut?
Sie können alles lernen, brauchen aber mehr Übung. Sie müssen immer wieder die gleichen Schritte machen, dann haben sie es. Viele denken, sie sind zu doof. Aber das stimmt nicht. Die Dinge sind kompliziert.
Sie geben auch Unterricht im Altenheim.
Das ist nicht ganz einfach. Aber eine 90-Jährige, die sich fast nichts mehr merken kann, übt und macht etwas für ihren Kopf. Sie hat eine Anregung. Senioren macht es einen Riesen-Spaß, wenn sie lernen, Fotos über Whatsapp zu verschicken. Wenn die Neugier erstmal geweckt ist, trainiere ich über das Handy den Kopf ohne Disziplin.
Auch am Tablet und am PC kann man Patience spielen und Kreuzworträtsel lösen.
Computerspiele für Senioren werden gerade als neues Thema entdeckt - das ist die Zukunft. Die nächste Generation steigt da voll ein.