Kinder und Internet: Das sollten Sie wissen

Neben Lego-Steinen liegt in immer mehr Kinderzimmern das Tablet, mit dem schon Dreijährige ihren Weg in die digitale Welt suchen. Viele Eltern beobachten das mit Faszination und Sorge. Eine Studie ordnet das Phänomen jetzt ein.
Werner Herpell |
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Surfen im Kinderzimmer: In vielen deutschen Familien gehört das heute schon zum Alltag. Ist das gut oder schlecht?
Silvia Marks/dpa Surfen im Kinderzimmer: In vielen deutschen Familien gehört das heute schon zum Alltag. Ist das gut oder schlecht?

Sie verblüfft als erste ihre Eltern, die Generation Smartphone, und das oft schon im Kleinkindalter. „Es erstaunt mich sehr, wie die mit diesen Dingern umgehen können“, sagt eine junge Mutter über die digitale Früh-Reife ihrer drei und fünf Jahre alten Kinder.

Die Mutter eines Sechsjährigen wundert sich: „Wischen ist heutzutage wohl angeboren“ – also das flotte Navigieren auf einem Touchscreen.# Diese und viele andere anonym festgehaltene Eindrücke amüsierter, irritierter, auch besorgter Eltern finden sich in der 150-seitigen U9-Studie „Kinder in der digitalen Welt“, die Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) gestern in Berlin vorgestellt hat.

Darin weisen das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) und das Sozialforschungsinstitut Sinus nach, wie stark das Internet längst in die Kinder- und Spielzimmer von Drei- bis Achtjährigen in Deutschland vorgedrungen ist.

 

Bei Achtjährigen ist Lernen am Rechner eine Selbstverständlichkeit

 

Von den etwas älteren Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen kannte man den Siegeszug des Digitalen aus einem U25-Report des DIVSI (9 bis 24 Jahre) sowie Umfragen des Verbandes Bitkom.

Die stark beachtete ICILS-Studie hatte Ende 2014 aufgezeigt, dass kindliche Begeisterung fürs Internet nicht automatisch zu digitalen Genies führt: Achtklässler in Deutschland, also Zwölf- bis 13-jährige, liegen mit ihren Computer-Kompetenzen nur im internationalen Mittelfeld.

Nach der DIVSI/Sinus-Befragung von gut 1000 kleinen Kindern und mehr als 1800 Eltern ist klar, dass Computer, Laptop, Tablet und Smartphone hierzulande bereits vom sprichwörtlichen Dreikäsehoch genutzt werden. Bei Achtjährigen sind Spielen und Lernen am Rechner dann schon mehrheitlich eine Selbstverständlichkeit.

 

„Was früher die Markenjeans war, ist heute das Smartphone“

 

65 Prozent der Eltern sind überzeugt, dass ihre Sprösslinge digitale Kompetenz erwerben müssen – „um nicht von der Gesellschaft abgehängt zu werden“, wie Manuela Schwesig, selbst Mutter eines Achtjährigen, sagt.

Dabei schwanken die Eltern dieser „Digital Natives“ zwischen Faszination, Gelassenheit, Vorsicht und Abwehrreflexen. Für zwei Drittel der Mütter und Väter sei ein Internet-Verbot „Mittel der Wahl“, ohne dass dies natürlich komplett kontrollierbar sei, sagt Sinus-Direktorin Silke Borgstedt. Entscheidend dafür, ob Kinder im Netz unterwegs sein dürfen, sei die Nähe der Eltern zur „digitalen Lebenswelt“, also ihre persönliche Einstellung zum Internet. Wichtig für die Kinder sei der Schutz vor Gefahren wie Cybermobbing oder sexueller Belästigung, „ohne ständig beaufsichtigt zu werden bei jedem Klick“, sagt die Wissenschaftliche DIVSI-Leiterin Joanna Schmölz.

Schwesig empfiehlt dazu beispielsweise spezielle Kinder-Suchmaschinen – und feste Regeln für den Internet-Konsum innerhalb der Familie. Freilich lasse mit zunehmendem Alter der Kinder die Möglichkeit der Steuerung nach, räumt die Ministerin ein.

„Digitale Teilhabe wird zur sozialen Teilhabe“, fasst Schmölz eines der Ergebnisse ihrer Studie zusammen. Allerdings entscheide kaum noch der Geldbeutel der Eltern darüber, ob Kinder technischen Zugang zu digitalen Medien und Internet haben.

Lesen Sie hier: Jeder zehnte Dreijährige surft bereits im Internet

Bei geringem Verdienst würden nicht weniger Geräte angeschafft – soziale Unterschiede zeigten sich anders: „Was früher lediglich die Markenjeans und die Sneakers mit der richtigen Anzahl an Streifen waren, wird heute ergänzt um die jeweils aktuellste Smartphone-Version mit der richtigen Ziffer am Ende der Produktbezeichnung.“

Hinzu kommt, dass schon kleine Kinder von Eltern mit geringerer Bildung am Computer eher auf Unterhaltung aus sind, während der Nachwuchs von Eltern mit höherer Bildung das Internet öfter für Informationssuche und zum Lernen nutzt. Und je bescheidener der elterliche Bildungshintergrund ist, desto weniger engagieren sich Väter und Mütter, um ihre Kinder aktiv in die digitale Welt zu begleiten.

Auch deswegen sieht die Unions-Politikerin Nadine Schön noch Nachholbedarf. „Es ist das Recht, aber auch die Pflicht der Eltern, ihre Kinder im digitalen Zeitalter an die Hand zu nehmen. Was noch etwas fehlt, sind gute Schulungsmaßnahmen für diese Eltern“, sagt die CDU-Expertin für Familienpolitik und Digitale Agenda. „Denn viele kapitulieren sehr schnell, wenn sie merken, dass ihre Kinder viel fitter sind am PC und im Internet.“

Die 32-jährige Mutter eines erst sieben Monate alten Sohnes dürfte die Digitalisierung im Kinderzimmer schon in wenigen Jahren selbst kennenlernen. Auch ein Computerverbot will sie nicht ausschließen, falls ihr Theo etwas ausgefressen hat: „Meine Eltern haben mir früher ja auch Leseverbot gegeben, das war die Höchststrafe und hat ganz gut gewirkt“, sagt Nadine Schön lachend.

 

Das sollten Eltern wissen

 

Wenn schon Kinder im Kita-Alter ins Internet möchten, verunsichert das viele Eltern. Die AZ zeigt einige Tipps für Mütter und Väter:

  • Internet spielerisch entdecken: „Das können Kinder je nach Entwicklungsstand ab etwa vier oder fünf Jahren gemeinsam mit ihren Eltern“, sagt Martin Müsgens, Referent der EU-Initiative „Klicksafe“. Das müssen Eltern aber nicht vorschlagen, sie können abwarten, bis das Kind selbst den Wunsch danach äußert.
  • Die passenden Spiele: „Einfache und kindgerechte Spiele für zwischendurch, die nicht zu schnell oder actionlastig sind, sind die richtige Wahl“, sagt Müsgens. Dann dürften die Kinder schon mal eine halbe Stunde spielen – aber nicht unbedingt jeden Tag.
  • Jüngere Kinder: Mit etwa drei Jahren müssten die Kleinsten noch nicht im Internet unterwegs sein, meint der Experte. Eltern dürfen aber ruhig mal online mit ihnen gemeinsam eine Bildergeschichte oder einen Film anschauen.
  • Schutz für Kinder: Der ist wichtig, wenn die Buben und Mädel das Internet für sich entdecken. So sollten Eltern spezielle Jugendschutzprogramme installieren, rät Müsgens. Für den Anfang empfiehlt er Seiten wie „Internet-ABC.de“ und Kindersuchmaschinen. Dort sind Webseiten gelistet, die sich gezielt an Kinder richten – aber etwa auch die offiziellen Homepages bekannter Fußballclubs. Kinder im Schulalter: Sie können das Netz beispielsweise für Lernspiele nutzen. Mit der Zeit dürfen sich Eltern etwas zurücknehmen. Müsgens rät: Mütter und Väter sollten über eine Favoritenseite die passenden Webseiten zusammen- und dem Kind zur Verfügung stellen.
  • Feste Abmachungen: Die sollten Eltern und Kinder dazu treffen, wie oft und wie lange der Nachwuchs online sein darf. Dabei hilft ein gemeinsam abgeschlossener Nutzungsvertrag, für den es online unter www.mediennutzungsvertrag.de Vorlagen gibt.
  • Besonders wichtig: Regelmäßig darüber zu sprechen, was das Kind im Internet macht und ihm ab und an über die Schulter zu schauen.

 

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