Weniger Elektroautos als zugelassen: Wo fahren sie denn, die ganzen Stromer?

Auf deutschen Straßen rollen weniger Elektroautos als zugelassen wurden – wo sind die überzähligen hin? Der Verdacht: Die Käufer haben eine gewinnbringende Masche entdeckt.
von  David Lohmann
Dieser Stromer lädt an einer deutschen Straße, aber viele andere hat es ins Ausland verschlagen.
Dieser Stromer lädt an einer deutschen Straße, aber viele andere hat es ins Ausland verschlagen. © Georg Wendt/dpa

Bergisch Gladbach - Wer in Deutschland Steuern zahlt, hat damit in den letzten zwei Jahren europaweit Elektroautokäufe subventioniert. Dabei sollte die Förderprämie in Höhe von bis zu 9.000 Euro doch den Klimaschutz und E-Fahrzeugverkauf bei uns im Land vorantreiben.

Aber mehr als 16 Prozent der 2022 in Deutschland neu zugelassenen und geförderten Elektrofahrzeuge fahren nicht mehr auf deutschen Straßen. Das ergab eine Auswertung des Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.

Wo sind all die zugelassenen Elektroautos hin? 

Obwohl zum Beispiel beim Kraftfahrtbundesamt zwischen Oktober 2021 und September 2022 rund 52.000 Teslas angemeldet wurden, erhöhte sich der Gesamtbestand im gleichen Zeitraum nur um rund 36.000 Fahrzeuge. Auch bei deutschen Premiummarken gab es erhebliche Differenzen.

Wo sind die Autos hin? Allein im Jahr 2022 fehlen insgesamt 76.000 Pkw. Gleichzeitig sind im hochpreisigen Skandinavien letztes Jahr mehr Elektroautos zugelassen worden, als elektrische Neuwagen in Betrieb gingen.

Verkauf von neuzugelassenen Elektroautos ins Ausland

Allein in Dänemark rund 30.000. Zufall? Eher nicht. Die Entwicklung bestätigt laut CAM den Verdacht, dass viele Menschen den Steuervorteil mitnehmen, das neu zugelassene Elektroauto aber gleich nach der Mindesthaltedauer von sechs Monaten mit Gewinn gebraucht ins Ausland verkaufen. So entstand nach Berechnungen des Instituts ein Gesamtschaden für den Staatssäckel von 610 Millionen Euro.

Natürlich lasse sich eine Marktverzerrung durch Steuervorteile und Förderprämien nicht immer vollständig verhindern, sagt CAM-Studienleiter Stefan Bratzel. "Aber wenn sich der legale Missbrauch jährlich auf höhere dreistellige Millionenbeträge summiert, muss der Gesetzgeber schneller nachjustieren."

Die Lücke beim noch unter Schwarz-Rot beschlossenen Umweltbonus war spätestens seit 2021 bekannt. Schon damals fehlten über 13 Prozent der Neuzulassungen im Gesamtbestand.

Die Ampel-Regierung hat die Förderprämie aber dennoch erst dieses Jahr leicht auf 6.750 Euro reduziert und die Mindesthaltedauer wie auch vom Verband der Automobilindustrie gefordert auf zwölf Monate verdoppelt.

Bund Naturschutz fordert höhere Abgaben beim Kauf von wenig umweltfreundlichen Autos

Ob das den legalen Steuerbetrug ausbremst? "Um die genaue Wirkung abzuschätzen, wird es noch etwas Zeit brauchen", sagt der Grünen-Verkehrsexperte im Bundestag, Stefan Gelbhaar.

Zeit, die Steuerzahler womöglich weitere Millionen kostet. Zwar rechnet auch das CAM damit, dass die Attraktivität des prämienbegünstigten Exports durch die Änderungen deutlich zurückgeht. Um wirklich sicher zu sein, fordert aber der Bund Naturschutz in Bayern, Kaufprämien generell nicht mehr aus Steuergeldern, sondern aus höheren Abgaben beim Kauf von wenig umweltfreundlichen Autos zu generieren. Das wäre sinnvoll. Denn die Prämien nutzen bisher anscheinend weniger der Umwelt als dem Umsatz der Hersteller.

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