Vorne Sprit, hinten Strom: Der Volvo V90 mit Plug-In-Hybrid im Test

Ein großer 407 PS-Kombi mit nur zwei Liter Normverbrauch – der Plug-in-Hybridantrieb und eine ziemlich komplizierte Rechnung machen es im Volvo V90 möglich.
von  Rudolf Huber
Als Reise-Mobil ist der V90 mit seinen 590 Kilo Zuladung bestens geeignet. Dazu trägt auch ein sehr gut gedämmter Innenraum bei.
Als Reise-Mobil ist der V90 mit seinen 590 Kilo Zuladung bestens geeignet. Dazu trägt auch ein sehr gut gedämmter Innenraum bei. © Rudolf Huber

München - Den Autoherstellern liegen verschärfte CO2-Grenzwerte und das Damoklesschwert von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge schwer im Magen. Schon 2020 dürfen die Durchschnitts-Emissionen der kompeltten Modellpalette EU-weit 95 Gramm pro Kilometer (g/km) nicht überschreiten. Wie schön, wenn man diesen Wert schon anno 2018 mit einem Plug-in-Hybrid deutlich unterbieten kann – so wie der große schwedische Luxuskombi namens Volvo V90 T8 Twin Engine.

Dieser ausgewachsene Vertreter der oberen Mittelklasse, direkter Mitbewerber von BMW 5er Kombi und dem T-Modell der Mercedes E-Klasse, emittiert laut Norm gerade mal 46 g/km. Und schafft damit in der Volvo-Palette Luft für einen Kollegen, der deutlich über 95 g/km emittiert. Doch wie kommt so ein Wert wie der für den gut 2,1 Tonnen schweren V90 T8 zustande? Das ist ein Fall für Mathematiker, denn der dahinter versteckte Algorithmus erschließt sich Normalsterblichen nicht wirklich. Die EU-Bürokraten haben den Normverbrauch des 320 PS starken Zweiliter-Benziners mit Turbolader und Kompressor und die maximal 50 Kilometer rein elektrischer Reichweite aus der unterm Kofferraum versteckten Lithiom-Ionen-Batterie zusammengezählt und durcheinander gemixt, bis ein Normverbrauch von exakt 2,0 Kilometern herausgekommen ist.

Der Feind eines jeden Plug-in-Hybrids: Die menschliche Trägheit

Das ist natürlich auch in diesem speziellen Fall wie bei allen EU-Normverbräuchen reine Theorie. Aber sogar praktisch wäre es ja möglich, dass ein V90 T8-Besitzer sein Auto zumindest die Woche über mit 0,0 Liter Sprit und 0,0 Gramm lokal erzeugtes CO2 bewegt. Wenn er nämlich ins Büro und nach Hause nicht mehr als je 40 Kilometer fahren muss und daheim wie in der Arbeit Strom tanken kann – und das auch tut. Der Feind jedes Plug-in-Hybrids mit Verbrenner und E-Motor ist nämlich, der Test hat es wieder mal bewiesen, die menschliche Trägheit: Warum denn das Ladekabel anstecken – ist doch noch genug Sprit im 50-Liter-Tank...


Bis zu sieben Stunden dauert das Aufladen des Akkus - je nach verfügbarer Stromquelle. Foto: Rudolf Huber

Maximal 40 Kilometer deshalb, weil mehr unter realistischen Bedingungen mit Heizung oder Klimaanlage, Sitz- und Lenkradheizung oder Sitzbelüftung vorne einfach nicht drin sind. Weil man aber auf Tastendruck sehr variabel mit dem gebotenen Potenzial umgehen kann, macht auch diese überschaubare Reichweite durchaus Sinn, so die Erfahrung aus dem AZ-Test des schicken, großen T8. Der 87 PS-Strommotor im Heck macht den V90 nämlich gleich auch noch zum Allradler, wenn's mal rutschig wird. Außerdem hilft er auf Wunsch dermaßen nachdrücklich beim Sprinten, dass eine famose 0-100-km/h-Zeit von nur 5,0 Sekunden herauskommt – für einen Über-Zweitonner ist das schon beachtlich!

In Umweltzonen oder beim Frühstart aus der heimischen Garage rollt der große Schwede fast lautlos dahin, wer in der Stellung Hybrid unterwegs ist, macht nichts falsch, weil dann der Bordrechner die optimale Antriebsart automatisch auswählt. Apropos automatisch: Der Achtgang-Automat macht seine Sache sehr gut und wenn alle 407 Pferdestärken vereint zur Sache gehen, fühlt sich das so richtig gut an. Dass dabei dann unterm Strich Verbrauchswerte von 8,4 Liter Super und 17 kWh pro 100 Kilometer herauskommen, ist keine Überraschung. Aufladen lässt sich der Akku übrigens mit 16, 10 oder 6 Ampere in rund drei, vier oder sieben Stunden.

Design, Sicherheit, Entertainment: Was kann der Volvo V90 noch?

Und der Rest des Autos? Dafür muss man dem Volvo-Team zum wiederholten Mal seinen Respekt aussprechen. Der große V90 ist nicht nur schick und sehr elegant, er ist auch enorm geräumig und sowohl bei den Sicherheits- und Assistenzsystemen voll auf der Höhe der Zeit. Ob man die Möglichkeit zum teilautonomen Fahren und wie sie sich in der Praxis offenbar mag oder nicht, ist Geschmackssache – eine Zeitlang kann man jedenfalls schon Mal das Lenkrad loslassen und sich ein bisschen an die Zukunft der Fortbewegung gewöhnen. Die Bedienung über den hochkant gestellten Touchscreen ist recht problemlos erlernbar, der Sound aus der Bowers & Wilkins-Anlage phänomenal, allerdings kostet das gute Stück zusammen mit Apple CarPlay, Android Auto, Navigationssystem, DAB+-Radio und Einparkhilfe vorne im Business Paket Pro auch 5.350 Euro.


Der Innenraum des V90 wartet mit sehr guter Verarbeitung und hochwertigen Materialien auf. Die Schalter und Knöpfe sind übersichtlich angeordnet und intuitiv bedienbar. Foto: Rudolf Huber

Gut, die Serienausstattung der getesteten Inscription-Version für 76 500 Euro ist schon mehr als ordentlich. Aber wer ein bisschen in der Aufpreisliste stöbert, findet schnell das eine oder andere erstrebenswerte Schmankerl. Und sei es nur das 1.600 Euro teure Winterpaket mit Kindersitzen hinten, Lenkradheizung und dem Volvo On Call-System mit Wlan-Hotspot. Oder die Parkkamera mit 360-Grad-Bild für 600 Euro. Oder, oder, oder...

Mazda CX-5: Auf der Erfolgsspur

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.