Unterwegs im Elektro-Smart: Ich bin der Stromschalter-Depp
Meine Woche im Elektro-Smart (3): AZ-Sportchef Gunnar Jans testet den Smart "electric drive". Und ist ohne Strom im Oberland gestrandet.
Haben Sie schon mal - als einziger Gast in einem Country-Club - eine Wirtin mit Augenklimpern angefleht und geseufzt: "Ich habe ein Riesen-Problem. Und Sie sind der einzige Mensch auf der Welt, der mir helfen kann." Eine peinliche Situation, aber anders wusste ich mir Dienstagabend nicht mehr zu helfen.
Ich hätte halt doch besser auf den Sven hören sollen. Sie erinnern sich: Sven, der Transporterfahrer in der kurzen Hose, der mir am Samstag den "eletric drive" übergeben hat und dabei so nützliche Tipps hatte wie "Hupen Sie an der Kreuzung!" Hab ich ja auch gemacht - aber trotzdem vergessen, was der Sven noch so an Anleitungen für den Elektro-Smart parat hatte - vor allem beim Aufladen. Und deshalb steht der Testwagen jetzt auch noch 40,2 Kilometer entfernt von mir vor einem Landgasthofs in der Gemeinde Aying, wo ich gestern mit 5 Prozent Restbatterie stehen geblieben bin. Weil ich zu blöd zum Stromladen bin!
Doch der Reihe nach: Ein Seminar in Feldkirchen-Westerham, 42 km von Haidhausen entfernt. Das bedeutet: 3 Kilometer Stadtfahrt am Anfang, 8 Kilometer Landstraße und dazwischen 31 Kilometer auf der A8, der Salzburger Autobahn. Der Sven hatte mich ja gewarnt: "Der Elektro-Smart ist ein Stadtauto. Allzu viel Autobahn sollten Sie nicht fahren." Außer man hat Spaß daran, als Vorletzter ins Ziel zu kommen. Mit dem "electric drive" fährst du nämlich immer ganz rechts, auf der Lkw-Spur. Und mit Tempo 80, wo andere 180 fahren, zwischen zwei Lkw wie die Gurke in einem Sandwich eingequetscht zu sein, ist gewöhnungsbedürftig - vor allem, wenn dich der Transporter hinter dir mit lautem Hupen auf der Mittelspur überholt.
Irgendwann hab ich dann doch aber den Schumi in mir gespürt - und einen großen Milchwagen hinter mir gelassen. Vorletzter also - und vier Erkenntnisse gewonnen, die ich auch ins "elektrische Fahrtenbuch", das ADAC-Blog, schreiben möchte:
1. Das Tempo 100, das der electric drive angeblich erreichen soll, hab ich nie rausgeholt aus ihm, auch auf gerader Strecke war bei 90 Schluss.
2. Ich brauche ein Schild für das Rückfenster mit einer großen 90 drauf. Dann kann sich der Hintermann die Huperei sparen.
3. Auf dem Rückweg und bei allen weiteren Routen vermeide ich die Autobahn.
4. Der Elektro-Smart ist ein Stadtauto ist ein Stadtauto ist ein Stadtauto.
Und zuletzt: Statt eines Führungskräftetrainings hätte ich besser ein Überlebenstraining besuchen sollen!
Zwei Tage lang habe ich mich also in der Mitarbeiterführung schulen lassen. Es ging um Fragen wie diese: Wie motiviere ich richtig, was tun mit den Stars in der Mannschaft, den Talenten, den Arbeitsbienen? Und darum, ob der Jans noch eine Steckdose findet. Das war zumindest das Gesprächsthema in den Pausen, schließlich war ich bei unter 20 Prozent Batterieladung angekommen, zu wenig für den Rückweg.
Am zweiten Tag war der Verwaltungsleiter der IHK-Akademie Westerham so nett, mir aus dem Hotelbereich per Kabeltrommel Strom in einen Lagerschuppen am Waldrand legen zu lassen. Besten Dank nochmal dafür. Der Rest sollte doch ein Kinderspiel sein. Ladekabel aus der Heckklappe nehmen, die eine Seite in die Steckdose des Fahrzeugs in der Tankklappe (hinten rechts, wie beim Benziner) einführen, den Stecker in die Trommel stecken, und in acht Stunden, passend nach Seminarende, sollte das Ding wieder komplett bei 100 Prozent stehen.
Die Kollegen, die eine Mitfahrgelegenheit anbieten oder zumindest so lange warten wollen, bis ich weg bin, habe ich dann fahrlässigerweise ignoriert. Und mich zuerst nur ein wenig gewundert, als beim Starten noch immer nur 20 Prozent Batterieladung angezeigt waren. Wird schon noch kommen, ist ja beim Benziner auch so, dass die Tankstandsanzeige sich, wenn?s draußen kalt ist, nur langsam nach rechts bewegt.
Unruhig werde ich erst, als die Nadel nach ein paar Kilometern im Wald auf der St208 zwischen Aschbach und Rauschenberg immer weiter nach links wandert, bald bei unter 10 Prozent liegt - und währenddessen die Fahrleistung immer weniger wird. Am Ende krieche ich mit Tempo 20 den Rauschenberg hoch, hinter mir eine Kolonne lichthupender Lastkraftwagen und vor mir nur Bäume und ein Hinweisschild auf den Bergtierpark Blindham. Werde ich die Nacht mit Ziegen und Hirschen verbringen müssen? Ich hab?s dann noch bis Großhelfendorf geschafft. Das hat eine S-Bahn-Station und in Fußweite einen Landgasthof.
Den besagten Country-Club. Nach ein bisschen Überzeugungsarbeit ("Sie brauchen also einen Elektriker?" - "Nein, Ihre Steckdose") hat sich die Wirtin erweichen lassen, auch mit dem Hinweis, dass ich ihren Gasthof bei nächster Gelegenheit (also im nächsten Blog, wenn?s denn geklappt haben sollte) positiv erwähnen werde. Sie hat mir ihren Stellplatz in der Garage überlassen. Und damit, wenn nicht mir, so doch dem Smart wieder Leben eingehaucht. Woher ich die Gewissheit nehme, dass es diesmal geklappt hat? Ich habe den Sven angerufen und ihm mein Malheur geschildert.
"Da kann man doch gar nix falsch machen", hat er gesagt und dann gefragt: "Den Schalter haben Sie schon gedrückt, oder?" Schalter? Welchen Schalter? DEN Schalter! Er liest mir aus der Kurzanleitung vor, die natürlich daheim auf dem Schreibtisch liegt: "Der Ladevorgang kann nur gestartet werden, wenn der FI Schalter (schwarz) am Kabel nach erfolgter Verbindung auf "ein" geschaltet wird."
Vielen Dank, auch für die Erkenntnis: Ich bin der Stromschalter-Depp! Die nächsten beiden S-Bahnen von Großhelfendorf nach München sind dann übrigens wegen Streckenbauarbeiten auch ausgefallen. Murphy?s Gesetz halt. So, und jetzt mach ich mich mal auf ins Oberland und schau, was im Country Club morgens so los ist.
Gunnar Jans
Update, 10.49 Uhr: Es hat geklappt. Der Elektrosmart und ich sind wieder bei 100 Prozent. Fahrbereit. Und bei nächster Gelegenheit testen wir dann nach dem Strom auch die Steaks im "Bavarian Texas House" Großhelfendorf.