Rolls-Royce-Chefdesigner: "Wir produzieren Kunstwerke"

Giles Taylor wurde 1968 im englischen Somerset geboren. Er studierte in Coventry Transport-Design. Taylor ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Heimhausen.
AZ: Mister Taylor, Chefdesigner bei Rolls-Royce – es muss ein Kindheitstraum sein, der für Sie in Erfüllung gegangen ist. Stimmt's?
GILES TAYLOR: Klar, es ist die Erfüllung all meiner Hoffnungen, bei einer so traditionsreichen und legendären Marke wie Rolls-Royce zu arbeiten.
Sie haben ein Faible für Automarken mit dem besonderen Etwas?
Ich liebe Porsche wegen der Tradition im Designbereich, natürlich Ferrari. Viele Emotionen. Nur, weil ich Engländer bin, hätte es für mich nicht zwangsläufig Rolls-Royce sein müssen. Ich liebe Autodesign generell. Aber mich interessieren genauso Architektur, Innenarchitektur, Möbeldesign.
So viele Vorgänger in Ihrem Job gab es gar nicht, oder?
Nein, es gab genau sieben Rolls-Royce-Chefdesigner vor mir. Ich bin Nummer acht. Zufälligerweise ist der neue Phantom, unser Flaggschiff, das am 27. Juli vorgestellt wird, auch der achte in der Rolls-Royce-Geschichte.
Der Achte? Das klingt nach königlicher Familie...
Bisher ist noch keiner mit einer Krone zu mir gekommen. Leider. Nein, Spaß beiseite, ich weiß, dass das ein illustrer Kreis von Menschen ist.
Gerade haben Sie die spektakuläre Einzelanfertigung Sweptail präsentiert, den mit einem Preis von rund zwölf Millionen Euro wohl teuersten Neuwagen aller Zeiten. Früher hat Rolls-Royce praktisch nur Karosserien nach Maß gemacht – werden Sie dies vielleicht in Zukunft wieder tun?
Das ist tatsächlich eine unserer möglichen Strategien – neben den Serienmodellen einzigartige Autos für einzigartige Menschen herstellen. Wir haben den Sweptail in den vergangenen vier Jahren für einen sehr wohlhabenden Gentleman entwickelt.
Die Identität des Kunden ist und bleibt geheim?
Ja, es ist ein Herr aus Asien, mehr kann ich nicht sagen. Er wollte gemeinsam mit uns sein Traumauto entwickeln, er legte Wert auf diesen Prozess. Ich schätze diesen Kunden sehr, weil ihm das Design wirklich wichtig ist. Deshalb haben wir uns über diesen langen Zeitraum auch immer wieder ungefähr alle zwei Monate getroffen. Er kam nach München geflogen oder nach Goodwood in England, wo sich seit 2003 die Rolls-Royce-Fabrik befindet.
Der Sweptail ist wunderschön geworden. Rennen Ihnen andere reiche Leute die Bude ein, um sich ihren persönlichen Rolls-Royce bauen zu lassen?
So kann man sich das vorstellen. Es gibt eine ganze Menge Anfragen. So viele, dass wir überlegen, eine eigene Fabrik für den Bau dieser Einzelstücke in Goodwood zu errichten. Ich meine, jeder Rolls-Royce ist ja praktisch sowieso immer schon ein Einzelstück, aber mit dieser Fabrik würden wir die Stratosphäre erreichen, was Individualisierung betrifft.
Wo findet jemand, der sich wie Sie dauernd neue Dinge einfallen lassen muss, Inspiration?
Ich sehe mir zum Beispiel gern an, wie Autos in Kinofilmen präsentiert werden. Welche Rolle sie spielen, wenn man so will. Rolls-Royce ist auf einem so hohen Niveau angesiedelt, die Käufer erwarten nicht nur, ein Auto zu erwerben, sondern damit auch ein Gefühl.
Das Gefühl, ein Star zu sein?
Genau, so kann man das sagen, ein Star, eine wichtige Persönlichkeit. Es gibt Leute, die kaufen einen Rolls-Royce, um der Welt zu zeigen: Seht her, ich hab’s geschafft! Viele davon leben zum Beispiel an der amerikanischen Westküste. Ein Phantom transportiert nicht nur den Menschen, er transportiert sein Ego. Anderen Leuten hingegen, vor allem jüngeren, geht es mehr um die Ästhetik, die Eleganz, die Schönheit von Autokonstruktionen.
"In Peking ist der Rolls-Royce-Käufer gerade 30 Jahre alt"
Wie gelingt Ihnen beim Design der Spagat zwischen Modernismus und dem Bewahren der zweifellos großen Tradition von Rolls-Royce?
Gute Frage: Ich würde statt Tradition eher Zeitlosigkeit und Eleganz sagen. Wie ein Möbelstück von Mies van der Rohe. Da sagen die Menschen auch nach 50 Jahren: Ich liebe diese Formen! Die Herausforderung lautet, die DNA von Rolls-Royce in die heutige Zeit zu übertragen. Ich bin ein moderner Mensch, aber gewisse Elemente gilt es zu bewahren.
Wie die legendäre Kühlerfigur Spirit of Ecstasy, die die meisten schlicht Emily nennen.
Exakt. Wenn der neue Phantom in einigen Wochen vorgestellt wird, wird man sehen, dass es beim Design vor allem um Klassizismus und Romantizismus geht. Der Phantom-Käufer will Anlehnungen an die Geschichte von Rolls-Royce, und sei es nur die Farbe, die ihn vielleicht an den Rolls-Royce seines Großvaters erinnert.
Ihr Modell Wraith Black Badge hat eine andere Klientel im Visier. Mit Verlaub, das Auto mit seinen vielen schwarzen Teilen sieht böse aus, sogar die Emily ist schwarz...
Ja, der Black Badge ist mehr für den asiatischen Markt gemacht. In Peking zum Beispiel ist der durchschnittliche Rolls-Royce-Käufer, männlich und weiblich, gerade einmal 30 Jahre alt. Neuer Reichtum. Sie wollen ein cooles Auto.
Ist es nicht schwer, ein- und dieselben Modelle für die ganze Welt zu designen?
Nein, eigentlich nicht. Wenn jemand einen Rolls-Royce kauft, will er britisches Design, eine Marke mit Vergangenheit. Andere Hersteller unterhalb des Luxus-Segments haben es schwerer, Premium-Hersteller zum Beispiel müssen mehr regional denken und handeln. Rolls-Royce ist wie Musik von David Bowie oder Pink Floyd – man verkauft weltweit.
Wie viele Rolls-Royce wurden letztes Jahr verkauft?
Ich glaube, es waren 4.112.
Schaffen Sie die 5000 oder vielleicht 10.000 Stück im Jahr?
Uns geht es nicht um Masse, aber mit dem neuen Phantom und dem Cullinan dürfte die Stückzahl substanziell steigen, vielleicht schaffen wir sogar die 10.000 Stück. Wer weiß?
Ein großes Thema in diesen Monaten ist der Brexit. Wird er Ihre Arbeit beeinflussen?
Hoffentlich nicht. Ich sehe mich als Europäer. Ich liebe es, zwischen Deutschland und England zu pendeln. Und ich hoffe, dass der Brexit mein Team nicht daran hindern wird, auch in Zukunft großartige Autos zu entwerfen. Glücklicherweise hat Rolls-Royce 1998 einen Partner gefunden, der die Marke begreift, ihre Einzigartigkeit, ihr britisches Wesen.
Ein trauriges Kapitel unserer Zeit ist der Terror. Gibt es viele Menschen, die einen gepanzerten Rolls-Royce möchten?
Wir bieten diesen Service nicht an, andere Firmen tun dies schon. Wir wissen, dass wir an viele hochgestellte Persönlichkeiten verkaufen, die besonderen Schutz benötigen. Aber das ist nicht unser Geschäft – ein gepanzerter Rolls-Royce fährt sich wegen des Gewichts nicht mehr wie ein Rolls-Royce.
Was sagen Sie zu Ihrem Wettbewerber Bentley? Ist es überhaupt ein Wettbewerber?
Nein, ich glaube nicht. Wir bewegen uns auf einem anderen Niveau, allein schon preislich, aber auch, was die Handwerkskunst betrifft. Ich möchte nicht, dass es arrogant klingt, aber wir produzieren Kunstwerke.
Sehr pathetisch!
Der neue Phantom wird eine besondere Neuerung haben, die Besitzer bekommen die einzigartige Möglichkeit, echte Kunst im Auto zu platzieren.
Gibt es für den Auto-Designer Giles Taylor ein Leben nach Rolls-Royce?
Ich kann mir das nicht vorstellen. Interessieren würden mich Yachten, weil sie länger sind. Länge macht Dinge elegant. Ein Auto ist vielleicht sechs Meter lang, eine Yacht, wie sie sich die Ultrareichen heutzutage leisten, kann 100 Meter lang sein oder noch länger. Reizvoll!
Zum Schluss eine Frage, die wir uns nicht verkneifen können: Was passiert, wenn man mit so einem Traum auf vier Rädern, einem Rolls-Royce, auch mal einen Unfall hat?
Man muss Millionär sein, um sich einen Rolls-Royce leisten zu können, und man muss Millionär sein, um ihn nach einem Unfall reparieren zu lassen...