Range Rover Evoque: Der Schöne und der Kies

In der Stadt ist der Range Rover Evoque ein Hingucker, den Frauen mögen. Männer lassen sich eher von den Offroad-Talenten des schönen Engländers beeindrucken.
von  (mabo/spot)
Schönling unter den kleinen SUVs: Range Rover Evoque Coupé
Schönling unter den kleinen SUVs: Range Rover Evoque Coupé © Range Rover

München - Mit seinem eigenwilligen Design hat sich der Range Rover Evoque eine eigene Zielgruppe erschlossen. Sein Aussehen lässt kleinere Unzulänglichkeiten gar nicht erst zum großen Thema werden. Ein Fahrbericht des 2.2 SD4 Coupé.

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Dem Design geschuldet: das schlitzartige Heckfenster Foto:Range Rover

 

Die attraktive Mittdreißigerin im feinen Chanel-Outfit, der Zugehörigkeit zur Münchner Schickeria nicht unverdächtig, hatte es wahrlich nicht leicht. Mit viel Mühe hatte sie es geschafft, die glänzenden Einkaufstaschen mit dem Inhalt diverser Nobelboutiquen im Kofferraum unterzubringen. Jetzt stand sie ratlos vor ihrem Evoque, der zugeparkt in einer Parklücke der Maximilianstraße stand, die mindestens so eng war wie ihr knielanger Rock. Es brauchte gleich mehrere Anläufe mit direktem Stoßstangenkontakt sowohl nach vorne, als auch nach hinten, bis sie ihren kleinen Range Rover in den fließenden Verkehr rangiert hatte. Schweißperlen auf dem sorgfältig arrangierten Make-up waren zu vermuten.

Der Dame ist kein Vorwurf zu machen, auch nicht der von mangelndem fahrerischem Talent. Denn der einzig berechtigte Vorwurf, dem man den Designern des Range Rover Evoque machen kann, ist die Konstruktion des Heckfensters, die beim Rückwärtsfahren zur Schießscharte wird, durch die man zielen muss. Andererseits wäre dieser Kompakt-SUV ohne die extravagant abfallende Linienführung des Daches nicht das, was ihn von den Mitbewerbern unterscheidet - eine Design-Ikone mit Coupé-Anmutung. Das kann man - obgleich sehr gute Automobile allesamt - vom Audi Q3, BMW X1, Ford Kuga oder VW Tiguan nicht behaupten. Deshalb gilt in diesem Fall der Umkehrschluss einer alten Designerweisheit: Function follows form.

 

Alles begann 2008 mit einer Studie

 

Alles vom Feinsten: Interieur des Evoque Foto:Range Rover

 

Die Geschichte des Evoque, die fast so spektakulär verlief wie die Evolution des Mini Cooper, begann Anfang 2008 mit einer Studie. Sie hatte äußerlich rein gar nichts zu tun mit dem Freelander, der allerdings bei den Innereien ein Technikbruder im Geiste ist. Seit 2011 wird der Evoque in den unterschiedlichsten Varianten in Halewood bei Liverpool produziert, aber vom berühmten "You never walk alone", das die Fußballfans dort inbrünstig inszenieren, mochten die Verantwortlichen von Range Rover noch nie etwas wissen. Sie beschworen ein unverkennbares Alleinstellungsmerkmal herauf, und verpackten dieses Ansinnen gleich mal in den Namen. Evoque bedeutet so viel wie "heraufbeschwören", und für alle, die mit diesem Namen nicht viel anfangen konnten, lieferten die Engländer die Phonetik gleich mit - "Ihwouk".

Sichtbares Offroad-Vergnügen: Fahrprogramme des Terrain-Response-Systems Foto:Range Rover

 

Obwohl nun schon auch ein paar Jährchen auf den Straßen unterwegs, überrascht, wie der Evoque noch immer die neugierigen Blicke der Passanten auf sich zieht. Wir waren mit dem 2.2 SD4 in der zweitürigen Version unterwegs, dem allradgetriebenen Turbodiesel mit 190 PS. Und konnten durchaus nachvollziehen, weshalb der Typ bei Frauen gut ankommt. Sieht gut aus, lässt sich leicht bewegen (okay, Rückwärtsfahren etwas schwieriger), hat eine gehobene Innenausstattung und ist vor allem eines: komfortabel. Vermutlich ist es genau die Mischung, die Frauen lieben. Männer dagegen stehen auf Sportlichkeit, und da ist zumindest die Straße nicht das Spielfeld, auf dem der Diesel mit großen Leistungen glänzt. Okay sind sie allemal, aber die Beschleunigung auf Hundert ist mit 9,0 Sekunden kein beeindruckender Sprintwert (was logischerweise auf das Gewicht von rund 1,8 Tonnen zurückzuführen ist), und dass bei 195 Sachen das Ende der Tachomessung erreicht ist, beeindruckt auch nicht wirklich. Dafür ist das Handling erste Güte, wenn sich die Karosse auf Landstraßen bei schneller Kurvenfolge und flotter Fahrt spürbar aufschaukelt. Allerdings nicht so, dass man sich Sorgen machen müsste. Nachdem der Evoque allerdings nach übereinstimmender Einschätzung der schönste Stadt-SUV auf dem Markt ist, können solche Mini-Mängel nicht wirklich als Kritik durchgehen.

Dennoch ist heftiger Widerspruch angesagt. Stadt-SUV? Dafür ist er viel zu schade. Wir waren mit dem kompakten Engländer in der Kiesgrube und haben uns dort gründlich ausgetobt. An steilen Auf- und noch steileren Abfahrten. An schrägen Hängen und in tiefen Schlammpfützen. Dort machte sich der Schönling nicht nur schmutzig, sondern zeigte überragendes Offroad-Talent. Kenner wissen, was dahinter steckt - das hochgelobte Terrain-Response-System, das man vom Freelander kennt. Es kann die vier Geländefahrprogramme Asphalt, Schlamm, Sand sowie Gras/Schnee, und es ist verblüffend zu beobachten, wie wandelbar je nach Situation dieses (übrigens serienmäßige) Feature elektronisch eingreift. Well done!

Flüchtige Begegnungen wie die unsere auf der Münchner Maximilianstraße dürften solch kernige Männererlebnisse in unwegsamem Gelände und weit entfernt vom Boulevard herzlich wenig interessieren. Aber sie zeigen, dass der Evoque sowohl für das Shopping-, wie auch für das Outdoor-Erlebnis taugt. 53.100 Euro Grundpreis sind dafür zwar nicht gerade ein Schnäppchen, dafür ist der Wiedererkennungswert hoch. Der Wiederverkaufswert übrigens auch. Denn im Herbst kommt die nächste Evoque-Generation - mit Facelift und neuen Motoren.

Technische Daten: Dreitüriger Kompakt-SUV, Länge: 4,36 Meter, Breite: 1,90 Meter, Höhe: 1,63 Meter, Radstand: 2,66 Meter, Kofferraum: 300-685 Liter, Tankinhalt: 58 Liter, Leergewicht: 1.785 Kilogramm, Motor: 2,2-l-Vierzylinder Diesel mit Abgasturbolader, Hubraum: 2.179 ccm, Leistung: 180 PS bei 3500 U/min., maximales Drehmoment: 420 Newtonmeter bei 1.750 U/min., Antrieb: Allrad, Getriebe: 9-Stufen-Automatik, 0-100 km/h: 9,0 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 195 km/h, Durchschnittsverbrauch Testwagen: 7,5 Liter Diesel auf 100 km, CO2-Ausstoß: 129 g/km, Preis ab: 53.100 Euro.

 

 

 

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