Porsche 911: Der neue Turbo-Hammer
Die erste Testfahrt mit dem aufgeladenen Modell der 911er-Familie mit 520 und 560 PS. Der Turbo vereint mehr Power mit niedrigerem Verbrauch.
München - 3,2 Sekunden – was lässt sich in dieser Zeitspanne anfangen? Zwei Mal kräftig niesen zum Beispiel. Oder ein paar kräftige Schlucke Kaffee trinken. Man kann in diesem Zeitraum aber auch seinen Körper aus dem Stillstand auf Tempo 100 beschleunigen lassen. Wenn man denn im neuen Porsche 911 Turbo sitzt. Die AZ hat das – immer im Dienste des Lesers – intensiv ausprobiert.
In 3,2 Sekunden auf 100 – wie fühlt sich das an? Nun ja, wenn man körperlich und mental gut drauf ist, ist das ähnlich wie das Gefühl bei der Achterbahnfahrt kurz vor der ersten Steilkurve. Bloß in der Waagrechten. Ziemlich phänomenal, ziemlich eindrucksvoll, wenn man so etwas mag.
Aber das mit der maximalen Beschleunigung und der Höchstgeschwindigkeit von 315 km/h ist ja nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass der 520 PS starke Turbo und sein nochmal 40 PS stärkerer Kollege im Turbo S ziemlich effizient mit dem Sprit umgehen. 9,7 Liter auf 100 Kilometer – das ist gegenüber dem Vorgänger eine Reduzierung um immerhin 15 Prozent. Respekt.
Mehr Kraft, mehr Speed, weniger Durst – das kommt nicht von alleine. Porsche hat so ziemlich alle Register gezogen, um diese widersprüchlichen Ziele unter einen Hut zu bringen. Bessere Aerodynamik mit variablen Front- und Heckspoilern, „virtuelle Zwischengänge” im obligatorischen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, die Möglichkeit des Segelns beim Gaswegnehmen, Motorstillstand durch Start-Stopp schon ab sieben km/h, die elektrohydraulische Steuerung der Allrad-Lamellenkupplung – all das trägt in Summe zu dem deutlichen Effizienzgewinn bei.
Das Schöne daran: Am ungemein lebhaften Wesen des Turbo und des Turbo S ändert das definitiv gar nichts. Im Gegenteil. Der 911er setzt jeden feinen Tritt aufs Gaspedal derart ansatz- und umstandslos in Vortrieb um, dass es eine wahre Freude ist. Das Ganze wird begleitet von einer fein sägenden bis heftig röhrenden Geräuschkulisse. Ein besonderes akustisches Schmankerl: Wenn die PDK genannte Automatik im Modus Sport + beim Gaswegnehmen bei hohem Tempo zurückschaltet, ist bei autophilen Menschen Gänsehaut garantiert.
Wie gesagt: 315 Sachen schafft der Turbo, 318 der S. Das ist beeindruckend, aber nicht oft machbar. Dauernd nutzbar ist die uneingeschränkte Alltagstauglichkeit des Stuttgarters. Er lässt sich absolut zivil im Stadt- oder Überlandverkehr bewegen. Und vermittelt dabei jede Sekunde die Botschaft: Wenn’s gewünscht wird, geht es sofort aber richtig heftig ab.
Dass der Turbo mit seinen großen Lufteinlässen vorne und auf der Seite unverschämt gut ausschaut, kommt noch dazu. Allein der Blick in die Rückspiegel auf die stark ausgestellten hinteren Kotflügel – der Hammer.
Und dann gibt es natürlich noch die Hinterachslenkung, die schnelle Spurwechsel noch präziser macht. Die unglaublich kräftig zupackenden Bremsen, und, und, und. „Der Turbo setzt dem 911er die Krone auf”, sagt Porsche-Chef Matthias Müller über den ab Herbst ausgelieferten Neuzugang.
Er hat zweifellos recht. Allerdings sind für den Turbo 162055 Euro fällig. Für den S 195256 Euro. Das sorgt dann doch dafür, dass sich die Verbreitung dieses Supersportwagens auch in Zukunft in Grenzen halten wird.