Mythos Harley-Davidson, die Zweite: Genuss ohne Hektik

MÜNCHEN - Sind Harley-Fahrer ein bisschen seltsam? Geben sie viel Geld für Geräte aus, die nicht mal richtige Motorräder sind? Die geballte (und beabsichtigte!) Polemik in der Abendzeitung vom Dienstag wollte der langjährige Chef der AZ-Reiseredaktion und begeisterte Harley-Fahrer Günter Reimann nicht auf sich sitzen lassen. Hier seine Replik:
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin weder Zahnarzt, noch Banker oder gar Steuerberater - und fahre trotzdem Harley. Und zwar mit großer Begeisterung. Lasse dabei auch nicht die „nonkonformistische Sau“ raus und spiele den „wilden Mann“, sondern genieße – ohne „Rauschebart und lange Haare“ - einfach nur das schöne Gefühl auf einer dieser chromblitzenden Kultmaschinen gemächlich durch die Landschaft zu „cruisen“, wie die Amis diese gemütliche Fortbewegungsart bezeichnen.
Ja, lieber Harley-Gegner, das muss man wirklich mögen, wie du schreibst. Ich – und viele, viele andere auch - mag es jedenfalls. Mehr zum Beispiel als jene, in enge Leder-Kondome gezwängte Gestalten auf ihren knallbunten japanischen Boliden, die mich regelmäßig mit bis zu 180 km/h unter einem kreissägenartigen Geheul selbst in unübersichtlichen Kurven überholen. „„Motorradfahren ist etwas ganz anderes“, schreibst du, lieber Harley-Gegner, und meinst damit offensichtlich jene hirnlosen Gestalten, die Wochenende für Wochenende mit bis zu 200km/h auf dem Weg zum kurvenreichen Sudelfeld durch das Leitzachtal brettern - in dem ich nämlich wohne.
Das Geheul rasender Reisbrenner
Und deshalb kann ich auch den „Lärm“, den Harleys verursachen, sehr genau unterscheiden von dem Geheul der rasenden „Japsen“ oder auch „Reisbrenner“ (ich kann auch polemisch werden), das man auch noch auf dem Wendelstein-Gipfel deutlich hört. Ich habe kein Problem damit, mit meiner Harley etwas gemächlicher um die Kurven zu fahren, ich komme lieber etwas später am Zielort an, dafür aber mit heilen Knochen und der Gewissheit, etwas von der schönen Landschaft gesehen zu haben.
Ich gebe zu, dass man sich für den Preis einer Harley auch ein schönes Auto kaufen könnte und unterstelle dir auch wegen deiner Harley-Aggression keinen Sozialneid. Du kannst ja als professioneller Auto- Und Motorrad(??)-Tester fast jede Woche ein anderes Luxus-Gefährt steigen. Sicher sind jedoch die wenigsten Harleyfahrer Zahnärzte, Banker oder Steuerberater, nur weil sie ein dickes Bankkonto haben, sind sie noch lange keine Harleyfahrer. Wer ein solches Motorrad liebt, spart meist lange darauf und fährt dann so vorsichtig, dass ihm und seiner wertvollen Harley nichts passieren kann – was ist daran auszusetzen?
Günter Reimann