Münchner wollen das Auto der Zukunft entwickeln

Ein sicheres, sportliches Elektroauto zu einem günstigen Preis – das will ein Entwicklerteam der Technischen Universität München (TUM) schaffen. Jetzt haben die Forscher einen Prototypen präsentiert
Neubiberg - Auf dem Rollfeld des ehemaligen Flughafens Neubiberg haben Forscher des E-Mobility-Projekts Visio.M ihren neuen Prototypen vorgestellt. Das Elektroauto wurde im Slalomwettrennen vorgeführt. Dabei fuhr es den anderen elektrischen Vergleichsautos davon. Das Entwicklerteam wirbt deshalb mit Fahrdynamik, aber auch mit hoher Energieeffizienz für das Auto.
Die Energieeffizienz ist der Schlüssel zu kostengünstiger und nachhaltiger Elektromobilität im städtischen und stadtnahen Raum. Im Rahmen eines Verbundprojekts erforschen 14 Lehrstühle der Technischen Universität München (TUM) zusammen mit großen Unternehmen der deutschen Automobilindustrie die Möglichkeiten und Grenzen in den Bereichen Fahrzeuggewicht, Aerodynamik, Antrieb, Rollreibung und Klimatisierung.
Der Prototyp Visio.M kommt mit leichter Aluminium-Kohlenfaser-Struktur auf 450 Kilogramm Leergewicht ohne Batterie. Das spart Strom und kommt der Reichweite zu Gute. Die Batterie ist nach drei bis vier Stunden voll aufgeladen. „100 Kilometer mit dem Visio.M zu fahren, kostet zwischen 2 und 2,50 Euro. Das ist ein Preis, mit dem die Autos mit Verbrennungsmotoren nicht mithalten können“, sagt Markus Lienkamp, Professor an der TUM.
Dabei müsse ein effizientes Stadtauto nicht zwangsläufig langweilig sein oder in schnellen Kurven Angst einflößen. Bei aller Sparsamkeit garantiere der Visio.M-Prototyp ein sehr dynamisches Fahrerlebnis. BMW-Testfahrer hätten am Anfang über das „Vogelhäusle“ geschmunzelt, wären dann doch von der Fahrleistung begeistert gewesen, erzählt Patrick Stenner, einer der Projektverantwortlichen. Auch die AZ-Reporterin durfte eine Probefahrt unternehmen - und findet den Visio.M durchaus sportlich.
Besonderes Augenmerk liegt auf der Sicherheit. Hier müssen die Entwickler noch einige technologische Hürden überwinden. Bisherige Elektrokleinfahrzeuge bieten keinen ausreichenden Schutz und sind deshalb nicht massenmarktfähig. Noch in diesem Jahrzehnt könnte das aber Elektroauto in Serie gehen. Die Entwickler schätzen, dass es unter 20.000 Euro kosten wird. So wäre das Fahrzeug kaum teurer als vergleichbare Autos mit Verbrennungsmotor und billiger als viele andere Elektroautos.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt im Rahmen des Förderprogramms IKT 2020 und des Förderschwerpunktes „Schlüsseltechnologien für die Elektromobilität – STROM“ mit 10,8 Miollionen Euro. Nach zwei Jahren seit dem Projektbeginn im März 2012 stellt das Team im kommenden Oktober das finale Fahrzeugkonzept vor.
Das sagt einer der Entwickler
Markus Lienkamp forscht auf dem Gebiet der Elektromobilität mit dem Ziel, neue Fahrzeugkonzepte zu erstellen. Seit Oktober 2010 leitet er den Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der TUM. Die AZ hat mit ihm gesprochen
AZ: Was ist das Alleinstellungsmerkmal des Visio.M-Fahrzeugs?
Wir haben ein Gesamtkonzept entwickelt, das nirgendwo mehr große Schwächen zeigt. Das größte Problem bei der Entwicklung von Elektroautos sind derzeit die Kosten - und die haben wir in den Griff bekommen.
Woran müssen Sie bei der Entwicklung noch arbeiten?
Das Hauptthema ist immer noch die Reichweite. Wir versuchen bei den Elektrofahrzeugen auf eine Reichweite zu kommen, die der Kunde akzeptieren wird. Diese Reichweite liegt derzeit bei 150 bis 200 Kilometern, die man sicher schaffen muss. Die Anforderungen an die Reichweite werden in den nächsten Jahren steigen, und da müssen wir mithalten. Das Andere, wo wir noch sehr viel Energie reingesteckt haben, ist die Sicherheit. Wir wollen bei diesem kleinen Fahrzeug auf ein Sicherheitsniveau von den üblichen Kleinwagen kommen.
Wer ist der Kunde, den Sie vor Augen haben, wenn Sie das Auto entwickeln?
Die Zielgruppe ist für uns der typische Zweitwagen-Käufer. Das ist jemand, der als Erstfahrzeug ein normales Auto bereits hat und sich für einen ökologischen Zweitwagen entscheidet, weil er ihn zum Beispiel für das Pendeln in die Arbeit braucht. In Deutschland gibt es 15 Millionen Zweitwagen und das ist der Markt, den wir mit unserem Elektroauto ins Visier nehmen.