Luxuslimousine mit Stromanschluss

Stuttgart - Die Flottenverbräuche müssen runter. Und zwar deutlich. Um die strikten Vorgaben der EU erfüllen zu können, setzen die Hersteller verstärkt auf die (Teil-)Elektrifizierung ihrer Modellreihen. Mercedes geht mit gutem Beispiel voran, will bis zum Jahr 2017 zehn neue Plug-in-Hybride auf den Markt bringen. Allen voran, quasi als Speerspitze der Elektro-Mobilität, rollt jetzt der S 500 mit Benzin- und E-Motor und Extra-Akku für den rein elektrischen Antrieb an. Dessen nach den EU-Formeln für Plug-in-Fahrzeuge errechnete Verbrauchswerte sind ab sofort das neue Maß in der Luxusklasse: Normverbrauch 2,8 Liter. CO2-Ausstoß 65 g/km.
Bis auf die Beschriftung am Heck und die zusätzliche Klappe für den Stromanschluss in der hinteren Stoßstange ist der Plug-in mit Stern nicht von den üblichen langen S-Modellen zu unterscheiden. Unter der Haube hat Mercedes ins Gehäuse der Siebengang-Automatik noch einen E-Motor gepackt, der zusammen mit dem V6-Benziner eine Systemleistung von 325 kW/442 PS locker macht – und ein Drehmoment von beeindruckenden 650 Nm. Bis zu 33 Kilometer sind dank des Akkupacks im Kofferraum (die dessen Volumen um 110 auf 395 Liter reduzieren) rein elektrisch möglich. In zwei (Starkstrom) bis gut vier Stunden (Haushaltssteckdose) ist der Kraftspender wieder voll geladen. Oder, indem der Fahrer die Version „Charge“ wählt.
Im Fahrbetrieb ist von der komplexen Technik und der komplizierten Steuerung fast nichts zu spüren. Zündung einschalten, der Hybrid-Modus ist vorgewählt. Ganghebel auf „D“ – und dann sorgt die intelligente Technik im ersten Plug-in-Benz dafür, dass die jeweils passende Fortbewegungsart angesteuert wird: Rein elektrisch in der Stadt, mit beiden Motoren beim kräftigen Beschleunigen (0 bis 100 km/h in 5,2 Sekunden) und nur mit dem Benziner, wenn die Akkus leer sind – oder die Steuerung anhand des per Navi vorgewählten Streckenprofils erkennt, dass der E- oder Hybridmodus erst später sinnvoll ist.
Eigentlich, so zeigten die ersten Testfahrten mit dem Technologieträger, weiß das Auto selbst am besten, was gerade am besten passt. Aber der Mensch kann selbstverständlich eingreifen. Oder er wird dezent, durch ein Pulsieren im Gaspedal, dazu aufgefordert, bei der Annäherung an ein vorausfahrendes Fahrzeug doch ein bisschen vom Gas und in die spritsparende Segelfunktion zu gehen. Alle Wechsel von einem in den anderen Modus funktionieren auf faszinierende Weise fast unmerkbar. Wenn sich der Benziner zu- oder abschaltet, ist das bei niedrigem Tempo eigentlich nur an der Nadel des Drehzahlmessers zu erkennen.
Die „Speerspitze“ der Mercedes Plug-in-Hybride ist natürlich teuer. Der Einstandspreis von 108.944,50 Euro prädestiniert ihn nicht gerade zum neuen Volkswagen, auch wenn die verbaute Technik faszinierend und zukunftsweisend und wenn die Ausstattung der langen S-Klasse sehr üppig ist – bis hin zur per App vorwählbaren Abfahrts-Temperierung inklusive Beheizung von Sitzen, Lenkrad und Armauflagen oder der Kühlung der Sitze vorne wie hinten – Sonderklasse eben.
Aber auf die Speerspitzen folgt ja üblicherweise die Basis, in diesem speziellen Fall von der A- bis zur E-Klasse. Und Mercedes hat die mit einer Sechs-Jahres- oder 100.000 Kilometer-Garantie abgesicherte Plug-in-Hybrid-Technik so konfiguriert, dass sie fast unverändert in alle Hecktriebler implantiert werden kann – und mit Modifikationen auch für die Allradler und die kleineren Fronttriebler passt.
Das macht nicht nur aus Kostengründen Sinn. Schließlich muss jetzt im Schnitt alle vier Monate ein neues Modell kommen, wenn es mit den zehn verschiedenen Exemplaren bis 2017 klappen soll. Hintergrund des straffen Zeitplans: Die durchschnittliche Flottenemission bei Mercedes lag 2013 bei 134 g/km, der Durchschnittsverbrauch bei 5,4 Liter pro 100 Kilometer. 2016 sollen es nur noch 125 g/km sein. Und 2020, wenn das EU-Limit auf 95 g/km heruntergesetzt wird, gilt für die (überdurchschnittlich große und schwere) Mercedes-Flotte das „gewichtsbasierte Ziel“ von 99 g/km – was einem Durchschnitts-Normverbrauch von 4,0 Litern entspricht. Dazu werden die Plug-in-Gefährte dringend gebraucht.