Continental GT: Bentley kann auch bunt

MUSCAT - Unterwegs durch die Wüste mit dem neuen Luxus-Coupé der noblen britischen Volkswagen-Tochter. Die Farbe ist sehr frech. Der W-Zwölfzylinder steht mit seinen 575 PS ziemlich gut im Futter. Der Preis: 183 974 Euro.
Darf ein Bentley so lackiert sein? Orange Flame heißt ganz ohne britisches Understatement eine der Farben, mit denen der neue Continental GT angeboten wird. Shocking für Traditionalisten. Aber bei der britischen VW-Tochter sieht man das ganz entspannt: Es gibt eben verschiedene Märkte - und unterschiedliche Kundschaft.
Zweite Frage: Ein neuer GT nach sieben Jahren - was hat sich an und in der Stil-Ikone alles getan? Die AZ ging den Tatsachen bei ausführlichen Testfahrten im sonnig-heißen Oman auf den Grund. Kurz-Fazit vorab: Der GT ist quasi 100-prozentig neu. Und einen ganzen Tick besser als der erfolgreiche Vorgänger. Das geht schon beim Design los. Das neue "Superform"-Heißverfahren für Alu-Motorhaube und -Heckklappe erlaubt es, diese großen Bauteile exakter und schärfer zu formen als je zuvor. Der GT wirkt knackiger, sportlicher, schon im Stand agiler.
Beim Kurventanz fühlt man ihm seine Kilos nicht an
Nach wie vor arbeitet unter der Haube der W12-Motor aus Wolfsburg, nach wie vor setzt Bentley auf Allradantrieb. Allerdings erstarkte der Motor um 15 auf jetzt 575 PS, das Drehmoment von satten 700 Nm steht ab 1700 U/min parat. Und die Antriebskraft wird nicht mehr gleichmäßig, sondern 40 : 60 an Vorder- und Hinterräder geleitet. In Verbindung mit breiterer Spur, neuen Fahrwerkskomponenten und einem trotz verstärkter Sicherheitsmaßnahmen um 65 Kilo gesunkenen Gewicht macht das den 2,3-Tonner zu einem Schwergewichtler, dem man seine Kilos nicht anfühlt.
Das elektronisch geregelte Fahrwerk per Touchscreen auf Sport + gestellt - und ab geht's. Dank des geänderten Allradantriebs schiebt der GT genauso beherzt aus der Kurve raus, wie man ihn hinein scheuchen kann. Das ESP braucht dank dieser dynamischen Fähigkeiten lange nicht einzugreifen. Und es ist kein Spaßverderber - wer deutlich macht, dass er's will, kann wirklich sehr schnell zugange sein - auch in engen Kurven-Kombinationen. 4,6 und 318: Das sind die Werte für Sprint und Höchstgeschwindigkeit. Noch Fragen?
Wenn's sein muss, ist der Luxus-Sportler 318 Sachen schnell
Natürlich kann man mit dem neuen GT verdammt schnell sein, wenn man will. Aber man muss nicht. Jede Menge Reserven fürs Überholen, die sanfte Comfort-Abstimmung, ein sehr niedriges Geräuschniveau auch bei hohem Tempo oder wahlweise umwerfender Sound aus den Boxen der feinen Naim-CD-Anlage - so kann man auch lange Strecken entspannt angehen. Angesichts eines 90 Liter-Tanks und eines Normverbrauchs von jetzt 16,5 Litern hält sich die Reichweite aber in menschlich nachvollziehbaren Grenzen.
Die sprichwörtliche Handwerker-Feinarbeit mit edlem Leder und Holz schmückt natürlich auch den neuen GT, auch sie wirkt noch ein bisschen wertiger als bisher schon. Ein echter Fortschritt: Die neuen, wesentlich leichteren und perfekt passenden Sitze mit Gurtbringern und Aussparungen für die Knie der Hintensitzer. Das hilft, obwohl natürlich das Einsteigen in den Fond noch immer kein echtes Vergnügen ist. Anfang 2011 startet der Bentley Continenal GT zu Preisen ab 154.600 Euro. Richtig viel Geld also. Aber darüber redet der Bentley-Eigner nicht. Er hat es.
Rudolf Huber