Bugatti Chiron: Abschiedstour mit 1.600 PS

Er stammt aus einer Zeit, in der viel Leistung gut, noch mehr Leistung besser war. In der Treibstoff noch erschwinglich war und die Klimakrise für viele noch als Erfindung von grünen Spinnern abgetan wurde. Die Rede ist vom Bugatti Chiron, einem Hypercar der Superlative. Wir haben von ihm Abschied genommen – auf höchst unterhaltsame Art und Weise.
von  Rudolf Huber
Breit, flach, superstark: Der Bugatti Chiron Super Sport leistet 1600 PS.
Breit, flach, superstark: Der Bugatti Chiron Super Sport leistet 1600 PS. © Bugatti

Der Chiron debütierte 2016 als Nachfolger des mit wahlweise 1.001 oder 1.200 PS auch nicht gerade untermotorisierten Veyron. Die zweisitzige Power-Flunder liefert in der "Standard-Ausführung" 1.500 PS an alle vier Räder. Die werden in einem sehr speziellen Motor produziert: Es geht um 16 Zylinder in W-Anordnung und acht Liter Hubraum. Beim Super Sport legt Bugatti noch eine Schippe drauf, hier werkeln 1.600 PS und liefern ein Drehmoment von maximal 1.600 Newtonmeter. Kleiner Hinweis für Laien: Das ist ziemlich viel.

Chiron Super Sport fährt 200 km/in in 5,8 Sekunden

Entsprechend zügig legt der Super Sport, in dem wir am Bugatti-Stammsitz in Molsheim Platz genommen haben, auch los. Im Idealfall – und in der dafür geeigneten Umgebung, also einer Rennstrecke –  geht es in nur 5,8 Sekunden nicht auf 100, sondern auf 200 km/h. Es dauert 12,1 Sekunden, bis die Tachonadel auf die 300 zeigt, 400 Stundenkilometer sind in 28,6 Sekunden erreicht. Und bei 440 (!) wird elektronisch abgeregelt. Der Chiron wirkt wie ein Düsenjet auf Rädern.

Der Vollständigkeit halber: null auf 100 in 2,4 Sekunden. Wie sich das in etwa anfühlt, zeigt sich bei der Einweisung des Autors durch den "Pilote Officiel" von Bugatti, Andy Wallace. Der lässt durch einen heftigen Tritt aufs Gaspedal die Gesichtszüge seines Beifahrers nach hinten entgleisen – die Fliehkraft sorgt für ein kräftiges Zwangs-Grinsen. Schwer zu beschreiben, wie sich so ein Powerstart genau anfühlt, so heftig, fast schon brutal, machen sich die Kräfte über den Körper her.

Turbolader lassen Bugatti Chiron laut werden

Begleitet wird diese Naturgewalt von einem ganz speziellen Sound. Wobei der direkt hinter dem Passagierraum installierte und von außen durch eine Glasabdeckung zu bestaunende 16-Zylinder nur die Hintergrundmusik spielt. Für Gänsehaut-Klänge sorgen die vier dicken Turbolader, die je nach Beanspruchung ihren typischen Kommentar zum Geschehen abgeben.

Nachdem Andy uns mal eben mit einem kleinen Sprint auf 247 Sachen katapultiert hat, steht der Fahrerwechsel an. Das Bewusstsein, ein Auto im Wert von 3,808 Millionen Euro zu bewegen, sorgt zunächst für eine leicht nervöse Zurückhaltung. Doch nach den ersten sanften Kilometern weicht die Anspannung der Faszination. Das Gesamtkunstwerk aus feinster Technik, sehr viel Power und feinem Ambiente erzeugt in Kombination mit dem ziemlich einfachen Handling des Chiron ein Hochgefühl der ganz speziellen Art. So fühlt sich also Luxus pur an.

Aber: Chiron Super Sport fährt künftig nur noch ins Museum

Wobei klar ist: Der Chiron zählt nicht zu den zukunftsfähigen Fahrzeugen, er wirkt wie ein Saurier kurz vor dem Aussterben. Und tatsächlich handelt es sich bei unserem Ausflug in die Welt der superteuren und superstarken Hypercars um einen Abschiedsbesuch. Der Chiron fährt geplant und gezielt ins Museum der Automobilgeschichte, als einzigartiges Bespiel für höchste Ingenieurskunst und das längst völlig unzeitgemäße Credo, dass Hubraum durch nichts zu ersetzen ist, außer durch noch mehr Hubraum. Ein Fahrzeug mit diesem Verbrauch (laut WLTP-Norm 21,5 Liter je 100 Kilometer, CO2-Ausstoß 487 Gramm pro Kilometer, Effizienzklasse G) ist schlicht von gestern.

Die Zeiten für eingefleischte Petrolheads sind eindeutig vorbei, der Bugatti wird Geschichte. Gerade erst wurde das 400. Chiron-Exemplar ausgeliefert, 500 sollen es insgesamt werden. Dann ist – nach einer kleinen Portion Bugatti Mistral, einem Roadster mit Chiron-Motor – Schluss mit 16 Zylindern. Ihren nächsten großen Wurf haben die Molsheimer längst in der Schublade: mit deutlich weniger Hubraum und reichlich elektrischer Unterstützung

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.