BMW X4: A bisserl was geht immer
München - Es war der X6, mit dem BMW anno 2008 den SUV (Sport Utility Vehicle) um eine neue Gattung bereicherte. Die nennt sich heute Sport Utility Coupé und verheißt hochbeinige Sportlichkeit. Etwas filigraner gestrickt, setzt der BMW X4 den Erfolg des Ur-SUC fort.
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Aus dem X3 wurde ein Coupé - der X4 Foto:BMW
Noch nie in der Geschichte des Automobils gab es eine so große Vielfalt an Modellen. Um neben dem europäischen Markt vor allem die unterschiedlichen Bedürfnisse in den Boom-Ländern Nordamerika und China abzudecken, folgten die Hersteller dem Gießkannen-Prinzip. Je reichhaltiger die Angebotspalette, desto größer die Möglichkeit, individuelle Kundenwünsche erfüllen zu können. Aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit gab es noch eine Nische, an die keiner geglaubt oder gedacht hatte. Getreu dem bayerischen Lebensmotto "A bisserl was geht immer" setzte BMW auf eine Mischung aus SUV und Limousine und fuhr der Konkurrenz einsam davon. Erst langsam kommen Mercedes & Co. aus den Marktstartlöchern, wenn auch mit geballter Kraft. Und der X4, der seit seiner Markteinführung 2014 immer gerne mit dem Porsche Macan verglichen wurde, ist nun der Älteste unter Seinesgleichen.
Genauso, wie es den Vorsprung durch Technik für Audi nicht mehr gibt, wird der X4 seinen Vorsprung durch Design verlieren. Eben hat Mercedes seinen GLC vorgestellt, dessen Stromlinien in dieselbe Richtung gehen. Das heißt aber noch lange nicht, dass der X4 ein Auslaufmodell ist. Ganz im Gegenteil: Von dessen weltweiten Verkaufszahlen müssen andere noch lange träumen. Denn der Vorsprung, der Erste gewesen zu sein, ist von unschätzbarem Wert.
Sportwagenwerte mit Tempolimit
Auch technisch muss sich der X4 nicht verstecken - dafür ist er zu jung und zu gut. Vor allem die Dieselvariante xdrive30d, mit seinen 258 Pferdestärken zwischen dem Einstiegsmodell 20d (190 PS) und der Wuchtbrumme 35d (313 PS) positioniert, wird gerne genommen. Vermutlich, weil diese Motorisierung den größtmöglichen Kompromiss zwischen familiärer Vernunft und sportlicher Unvernunft darstellt.
Ein Drehmoment von 560 Newtonmetern bei einer Drehzahl zwischen 1.300 und 1.500 Umdrehungen sind genauso eine Ansage wie der Sprint aus dem Stand bis Tempo 100, der nach 5,8 Sekunden abgehakt ist. Das sind veritable Sportwagen-Werte, und wenn die Höchstgeschwindigkeit nicht wie sonst bei BMW üblich bei 250 km/h abgeregelt ist, sondern sich der Tacho bei 237 km/h einpendelt - so what? Abgesehen davon, dass die Distanz zu den Stärkeren in der eigenen Familie gewahrt sein muss: Wo bitte lassen sich heutzutage Geschwindigkeiten jenseits von 200 noch mit Freude am Fahren ausleben?
Den größten Spaß am Steuer hat man bei Untersätzen vom Kaliber des X4 ohnehin auf den Land- und Bergstraßen dieser Republik. Da ist zwar Tempo 100 angesagt, dafür sind die technischen Feinheiten direkt am Lenkrad zu spüren. Etwa, wenn die perfekt abgestimmte Acht-Stufen-Automatik in Gemeinschaftsarbeit mit dem Fahrzeug das Bremsen so lange überflüssig macht, bis ein Verkehrshindernis auftaucht. Es muss schon ziemlich heftig um die Ecke gehen, bevor die kräftig zupackenden Scheiben die immerhin 1.820 Kilogramm schwere SUV-Variante mühelos einbremsen. Außerdem sind da ja noch die Assistenzsysteme, die selbst die Defizite eines miserablen Autofahrers auf Normalniveau hieven. Serienmäßig etwa Traktionskontrolle, Kurvenbremshilfe, Brems- und Anfahrassistent oder die Bergabfahrkontrolle.
Mit Leder und anderen Extras summiert sich der Grundpreis von 55.100 Euro Foto:BMW
Mit sinnvollen Extras kommen leicht 70.000 Euro zusammen
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass sich Menschen mit Drang zur Extravaganz für die sportliche Designvariante entscheiden, wenn sie zwischen dem X4 und dem X3, der Mutter des SUV-Coupé, wählen müssen. Zumal sich das Raumangebot vergleichsweise nicht dramatisch unterscheidet, obwohl der X4 von der Dachmitte Richtung Heck eine elegante Kurve beschreibt. Beim Ladevolumen von 500 bis 1.400 Litern (bei umgeklappter Rückbank) sind das nur 50 bis 200 Liter weniger als bei der biederen Version X3.
Und was kostet die extravagante SUV-Limo? Die gute Nachricht: In vergleichbarer Ausstattung nur einen guten Tausender mehr als der Basis-X3. Die Realität: Mit 55.100 Euro steht unser Testmobil in der Preisliste. Wer aber Extras haben möchte, wie feines Leder, gehobenes Entertainment und Navisystem, zusätzliche Assistenzsysteme und andere Kleinigkeiten, sollte mit wenigstens 70.000 Euro rechnen.
Technische Daten: viertüriges SUV-Coupé, Länge: 4,67 Meter, Breite: 1,88 Meter, Höhe: 1,62 Meter, Radstand: 2,81 Meter, Kofferraum: 500-1400 Liter, Tankinhalt: 67 Liter, Motor: 3,0-l-Reihen-Sechszylinder Diesel mit zwei Abgasturboladern, Hubraum: 2.993 ccm, Leistung: 258 PS bei 4000 U/min., maximales Drehmoment: 560 Newtonmeter bei 1.500-3.000 U/min., Antrieb: Allrad, Getriebe: Achtstufen-Automatik, 0-100 km/h: 5,8 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 234 km/h, Durchschnittsverbrauch Testwagen: 7,8 Liter Diesel auf 100 km, CO2-Ausstoß: 156 g/km, EU6, Preis ab: 55.100 Euro.