Auto-Abgaswerte: Im Labor besser als in der Realität

Zum Ärger vieler Fahrer unterscheiden sich die Verbrauchswerte zwischen Labor und Realität stark – jetzt zeichnet sich eine neue Dimension ab. Helfen sollen bessere Tests.
O. Zellmer |
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1.: Mercedes-Benz: 54 Prozent Abweichung.
dpa 8 1.: Mercedes-Benz: 54 Prozent Abweichung.
2.: Audi: 49 Prozent Abweichung.
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3.: Smart: 49 Prozent Abweichung.
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6.: Mini: 45 Prozent Abweichung.
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6.: BMW: 43 Prozent Abweichung.
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8.: Toyota: 43 Prozent Abweichung.
dpa 8 8.: Toyota: 43 Prozent Abweichung.

Es ist wahrlich keine Nachricht wert, dass Autokonzerne ihre Kunden über den tatsächlichen Spritverbrauch und Ausstoß an klimaschädlichem CO2 täuschen. Das ist nichts Neues. Was aber zutiefst Besorgnis erregt: Die Schummeleien werden immer stärker. Das geht aus dem „Mind the Gap“-Report von „Transport and Environment“ hervor, der Dachorganisation aller nichtstaatlichen europäischen Umweltverbände. Der Umweltforscher-Verbund ICCT hatte im November in ähnlicher Weise darüber berichtet.

Ab September halten neue Messmethoden für Abgaswerte Einzug in Europa – sie könnten die Diskussion zwischen Umweltschützern und Autoherstellern etwas entschärfen.

Was ist das Ergebnis der beiden Analysen?

Auf der Straße verbrauchten neue Pkw im Jahr 2015 im Schnitt 42 Prozent mehr Sprit als die Hersteller im Prospekt offiziell angeben. Millionen Autos sind davon betroffen. Vor fünf Jahren hatte der Unterschied noch 23 Prozent betragen – 2001 waren’s nur neun Prozent. Nie ist die Kluft zwischen offiziellem und tatsächlichem Verbrauch so groß gewesen. Weil CO2-Werte vom Verbrauch abhängen, schrecken die Zahlen vor allem Klimaschützer auf.

Was wurde ausgewertet?

Angaben privater Autonutzer bei Verbrauchs-Webseiten, Tankdaten von Leasingfirmen sowie Straßentests von Fachzeitschriften und Autoclubs.

Was entgeht dem Staat?

Milliarden-Einnahmen, heißt es in einer Analyse, die das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) erstellt hat. Wenn der tatsächliche Ausstoß von CO2 in die Berechnung der Kfz-Steuer eingeflossen wäre, hätte der Staat mehr einnehmen können, argumentieren die Autoren. „Allein die Mindereinnahmen aufgrund nicht dem Realverbrauch auf der Straße entsprechender CO2-Angaben werden für 2010 bis 2015 auf 3,3 Milliarden Euro geschätzt.“

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Was kosten die Falsch-Angaben den Autofahrer?

Laut ICCT zahlen sie jährlich 450 Euro mehr für Kraftstoff, als sie bei korrekten Werksangaben müssten.

Bei welchen Marken sind die Unterschiede zwischen Labor und Straße am höchsten?

Laut dem „Mind the Gap“-Report ist Mercedes-Benz mit einer Diskrepanz von im Schnitt 54 Prozent trauriger Spitzenreiter. Bei der A-Klasse wichen die Werte sogar um 56 Prozent ab. Wie Ihr Auto abgeschnitten hat, sehen Sie in obiger Bilderstrecke.

Sind die massiven Abweichungen nur Zufall?

Das glauben die ICCT-Autoren nicht. „Drei Viertel der Diskrepanz zwischen Real- und Testverbrauch sind darauf zurückzuführen, dass Fahrzeughersteller immer systematischer Schlupflöcher in der bestehenden Regulierung ausnutzen“, sagt ICCT-Europa-Chef Peter Mock.

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Was ist damit gemeint?

Etwa für Tests optimierte Reifen oder Batterien. Zudem spielten Faktoren hinein, die den Laborbetrieb sparsamer erscheinen lassen – beispielsweise die Abschaltung von Klimaanlagen.

Wie bewerten die Autohersteller diese Kritik?

Der Autoverband VDA räumt ein, „ärgerliche Unterschiede zwischen Labor- und Straßenwerten“ seien schon länger bekannt. Die geplanten Straßenmessungen und genaueren Bedingungen für Labortests könnten das Problem aber entschärfen: „Der Verbraucher bekommt mehr Verlässlichkeit.“

Der ADAC pocht auf deutlich schärfere Vorschriften für neue Abgastests: „Die Politik ist gefordert, die Standards der neuen Messverfahren so strikt auszulegen, dass ,Optimierungen‘ nicht mehr möglich sind.“

Wie sehen die Messungen ab September aus?

Partikel- und Stickoxidausstoß von Autos werden real auf der Straße getestet. Im Labor wird ein neuer Testzyklus (WLTP) für CO2-Emissionen sowie Kraftstoff- und Stromverbrauch eingeführt.

Warum gibt es neue Methoden?

Obwohl die Autos in den Tests, die sie vor der Zulassung bestehen müssen, Abgasgrenzwerte einhalten, sinkt die Belastung in den Städten nicht. „Messungen zeigen, dass insbesondere die Stickoxidemissionen NOx außerhalb des Prüfzyklus deutlich über dem Typgenehmigungsgrenzwert liegen“, heißt es beim ADAC.

Aus diesem Grund sollen Partikel- und Stickoxide von Pkw von September an in Straßentests („Real Driving Emissions“, kurz: RDE) überprüft werden. Der WLTP-Test ersetzt den etwa 30 Jahre alten Test von CO2- und Kraftstoffverbrauch im Labor.

Wie werden auf der Straße Emissionen gemessen?

Mit Hilfe eines portablen Systems. Es wird an der Rückseite des Autos am Auspuff montiert und kann so ortsungebunden die Abgase einfangen.

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Wie verlässlich ist ein solcher Test?

Die Messung am fahrenden Auto bringt gewisse Ungenauigkeiten mit sich. Zu Beginn dürfen die Emissionen laut Gesetzgeber noch das 2,1-Fache des Grenzwerts betragen. Von Januar 2020 an ist nur noch die Messtechniktoleranz von 50 Prozent des Grenzwerts vorgesehen.

Sind nun Unterschiede zwischen Labor und Realität Vergangenheit?

Zumindest nähert man sich an: De facto würden Abweichungen von Werten zwischen Labor und Straße ausgeschlossen, heißt es beim VDA. Allerdings, warnt der ADAC, könne es auch hier im alltäglichen Betrieb zu Abweichungen kommen, da auch im RDE-Verfahren nicht jede Fahrweise eines jeden Lenkers abgedeckt werde.

Welche Folgen haben die neuen Tests für die Kfz-Steuer?

Käufer von Neuwagen müssen sich von September 2018 an auf höhere Kfz-Abgaben einstellen. Dann sollen die ermittelten Kohlendioxid-Emissionen bei der Berechnung einfließen.

Dies kann für einige ab dann neu zugelassene Pkw zu Mehrbelastungen führen, aber möglicherweise auch zu geringeren Abgaben. Die Regierung weist zurück, es handele sich um Steuererhöhungen.

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