Zwischen den Grenzen

43. Internationale Hofer Filmtage: Die jungen deutschen Regisseure schauen über Privates hinweg – wie in dem Drama „Waffenstillstand“
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43. Internationale Hofer Filmtage: Die jungen deutschen Regisseure schauen über Privates hinweg – wie in dem Drama „Waffenstillstand“

In der Hölle werden die Bösen für immer gebraten und gepeinigt“ – keine Aussage aus dem finsteren Mittelalter, sondern aus dem Jahr 2008. Rosa von Praunheim machte sich in „Rosas Höllenfahrt“ auf die Suche nach Sinn und Unsinn der Höllenvorstellung und den Ursprüngen der Seele, stößt dabei auf viel Aberglaube, nicht nur bei Katholiken, sondern auch im Judentum und Islam, sogar bei den friedlichen Buddhisten.

Die Internationalen Hofer Filmtage brachten unter der Leitung von Heinz Badewitz wieder „Oldies“ und aufstrebenden Nachwuchs zusammen, eine Kombination, die auch im 43. Jahr funktionierte. Knapp 30 deutsche Filme zeigten, was in diesem Land los ist. Vor allem der Vergangenheit spürten Alexander Kluge und Stefan Aust in „Der Deutschlandkomplex“ nach und ließen mit auch unfreiwilligem Humor 21915 Tage Bundesrepublik Revue passieren.

Von den Überraschungen des Lebens

Viel näher am Menschen dagegen „Zugabe – Talentprobe. Ein Wiedersehen“. Vor 30 Jahren realisierte der Münchner Dokumentarfilmer Peter Goedel den „Talentschuppen“, Vorläufer von „Deutschland sucht den Superstar“. Manfred Behrens besucht heute die Verwegenen, die damals am Kölner Tanzbrunnen auf eine Gesangskarriere hofften und konfrontiert sie mit ihren Erwartungen. Ein liebevoller und schonungsloser Blick auf die Überraschungen des Lebens.

Die meisten jungen Regisseure schauen über Tellerrand und Privatsphäre hinweg, beschäftigen sich mit alltäglichen Unwägbarkeiten. So geht das Regie-Duo Ludwig & Glaser in „66/67 – Fairplay war gestern“ dem Phänomen der Hooligans in der Provinz nach, die Schlägereien anzetteln und an der Gewaltspirale drehen. Marc Rensing interessiert sich für den Risikosport „Parkour“, die Leidenschaft, über gefährliche Hindernisse und Abgründe zu springen. Judith Keil und Antje Kruska erforschen die Satanistenszene, in die auch bürgerliche Sprösslinge abdriften („Wenn die Welt uns gehört“).

Feel good und weniger good

Ganz anders die „13 Semester“ studierenden Jungs und Mädels. Locker, aber nicht leichtgewichtig erzählt Frieder Wittich in seinem Regiedebüt von Strebern und Genießern, von der ersten Liebe und Eifersüchteleien, wilden WG-Partys und vergeigten Prüfungen. Max Riemelt und Alexander Fehling spielen die Platzhirsche, während Robert Gwisdek mit Witz und Ernst den Karrieristen mimt, der irgendwann alles hinschmeißt. Ein Feelgood-Movie.

Der mit 10000 Euro dotierte „Förderpreis Deutscher Film“ ging an die Produzenten Martin Richter und Florian Deyle für das von Lancelot von Naso (wie Wittich Absolvent der Münchner Filmhochschule) inszenierte und unter schwierigsten Bedingungen in Nordafrika gedrehte Irak-Drama „Waffenstillstand“.

Während der 24-stündigen Waffenruhe zwischen irakischen Aufständischen und US-Truppen bringen ein Arzt und die Leiterin einer Hilfsorganisation ohne Erlaubnis medizinische Hilfsgüter von Bagdad nach Falludscha, begleitet von einem Fernseh-Journalisten und seinem Kameramann. Der unter die Haut gehende Mix aus Drama, Politthriller und Roadmovie überzeugt durch intensive Bildsprache und Gefühl, lässt den Einzelnen in einer Ausnahmesituation über sich hinauswachsen. Zwischen den Fronten erlebt die Gruppe die wirkliche und von Menschen gemachte Hölle auf Erden. Und die ist viel schlimmer als die Höllenglut im religiösen Jenseits.

Margret Köhler

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