Zum zweiten Mal zu spät

Im Auto rund um die Welt – 100 Jahre nach dem Pionier Hans Koeppen ist Filmemacher Wolfgang Ettlich die Tour nachgefahren. Er erlebte Abenteuer, aber pünktlich im Ziel war er auch nicht
von  Abendzeitung

Im Auto rund um die Welt – 100 Jahre nach dem Pionier Hans Koeppen ist Filmemacher Wolfgang Ettlich die Tour nachgefahren. Er erlebte Abenteuer, aber pünktlich im Ziel war er auch nicht

Der Mann war gewiss kein Esoteriker, und doch fragte sich Oberleutnant Hans Koeppen 1908, ob der Motor seines Protos-Wagens eine Seele habe. Der 32-jährige Offizier bestritt damals das bis heute einzige Autorennen um die Welt: von New York bis Paris. Auf den Spuren der einmaligen Wettfahrt sind Wolfgang Ettlich und Andreas Dirr durch Amerika, China, Russland und Europa gereist – für ihren Dokumentarfilm „Hat der Motor eine Seele?“

Die Idee hatte der Filmstudent Andreas Dirr aus Erlangen, angeregt durch das Buch „Im Auto um die Welt“ (Berlin, Ullstein, 1909) des Rennpioniers Koeppen über seine globalen Auto-Erlebnisse. Wolfgang Ettlich (62), dem Schwabinger Dokumentarfilmer („Die Schützes“, „Die 68er Story“, „Im Westen ging die Sonne auf“), gefiel die Geschichte so gut, dass er Produktion und Regie übernahm.

Schon 2003 berichtete die Abendzeitung über das Projekt. Dass der Film erst jetzt, ein Jahr nach dem 100. Jubiläum des Rennens, ins Bayerische Fernsehen kommt – darüber ist niemand frustrierter als Wolfgang Ettlich, der am wenigsten dafür kann. 2004 stand die Finanzierung: Vom Bayerischen Film-Fernseh-Fonds kamen 80000 Euro, Arte wollte einen Themenabend daraus machen und gab 150000, der BR und der RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) beteiligten sich mit je 30000. Dirr und Ettlich fuhren los – quer durch Amerika.

Das Hemd nicht geschmissen

2005 kam eine Absage von Arte – damit war die Finanzierung geplatzt. Die Filmemacher fingen von vorne an, 2006 hatten sie das Geld in derselben Kombination wieder beisammen. Und wieder machte ihnen Arte einen Strich durch die Rechnung: Weil die Redaktion keinen Spielfilm für den geplanten Themenabend fand, wollte sie nun nur noch eine Kurz-Doku von 45 Minuten. Damit fehlten 70000 Euro, Ettlich musste seinen Eigenanteil aufstocken. „Da hätte ich das Hemd schmeißen sollen“, meint er. „Aber ich bin ein Kämpfer, und die anderen Sender haben mir die Treue gehalten. Das fehlende Geld hat mich über drei bis vier Jahre blockiert. Aber ein Dokumentarfilmer muss planen. Wir hatten Flüge gebucht, und wir wollten authentisch sein: Amerika im Winter, China und Russland im Sommer. Ich musste durch die Länder rasen und denken, das Hotel ist mir zu teuer. Und der Kameramann und die Cutterin sind bis heute nicht bezahlt.“

Aber er wollte in jedem Fall einen langen Film drehen. Und dabei nicht auf den Spuren der Nostalgie die Tour nachfahren, sondern den heutigen Traum von Auto und Mobilität konfrontieren mit alten Fotos und Filmausschnitten. Das Ergebnis ist eine spannende Sicht auf die damaligen Verhältnisse aus der Distanz von 100 Jahren. Manche Orte, an denen Koeppen 2008 Station machte, gibt es heute überhaupt nicht mehr.

„Das Abenteuer hat mich fasziniert“, sagt Ettlich. „Die Probleme mit der Technik und der Sprache, woher kriegt man das Benzin oder Ersatzteile? Es ist ein Traum, so mit dem Auto um die Welt zu fahren: Du kennst die Rennstrecke, weißt aber nicht, wie’s da aussieht und welche Menschen man trifft. Wir fühlten uns wie Easy-Rider-Typen.“

Kindheitserinnerungen

Im Amerika trafen sie in einem Schneesturm auf einen Meskwaki-Indianer, der in seiner Garage Tomahawks und Kultgegenstände herstellte. Das war für Ettlich ein Aha-Erlebnis: „Da werden die ganzen Kindheitserinnerungen an Winnetou wach. Die Begegnung hat nur eine Stunde gedauert. So’n Film ist auch ’ne Glückssache, das kannste nicht planen.“ In der Mongolei besuchten sie eine Burjaten-Familie – und stießen auf jemanden, der altes Filmmaterial über Burjaten-Siedlungen besaß. „Du erlebst die System-Unterschiede von Kapitalismus und Kommunismus hautnah“, so Ettlichs Erfahrung. Oder China: „Da gibt's Autobahnen nur von Stadt zu Stadt, aber auf dem Land fahren kaum Autos. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft haben sich auf dieser Reise verbunden.“

Hans Koeppens abenteuerliche Wettfahrt dauerte von Januar bis Ende Juli 1908, an der Weltumrundung beteiligten sich drei Teams aus Frankreich und je eines aus Deutschland, Italien und Amerika. Koeppen fuhr als Erster in Paris ein. Der Sieg wurde ihm später allerdings wieder aberkannt, weil er in Amerika zwei Wochen langsamer als das US-Team gewesen war. Koeppen fuhr nie wieder ein Rennen, er blieb beim Militär und brachte es zum Generalmajor. Der Protos-Wagen, über dessen Seele er sich den Kopf zerbrochen hatte, steht heute im Deutschen Museum.

Gabriella Lorenz

BFS, Dienstag, 23.20 Uhr

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