Zum Glück gibt's diese andalusische Emanze
Elina Garanca betört im Gasteig als Carmen – vor einem fabelhaften Rundfunkorchester
Nach diesem Abend müsste Karel Mark Chichon eigentlich ins Grübeln kommen. Vor dem Konzert ließ sich der wendige Pultdompteur noch entschuldigen – wegen einer Verletzung könne er nur mit der Linken dirigieren. Doch siehe da: Es geht auch ohne Großgefuchtel. Gleich mit den ersten Takten von Mihail Glinkas Ouvertüre zu „Ruslan und Ludmila” lief das Münchner Rundfunkorchester zur Bestform auf. Und ein abgedroschener Gassenhauer wurde zum spritzig-launigen Amuse gueule.
So hätte das gerne weitergehen dürfen. Überhaupt servierten die zuweilen unterschätzten BR-Musiker ein subtil abgeschmecktes Häppchen nach dem anderen – und besonders in der ersten Halbzeit just mit all den Nuancen, die man sich vom eigentlichen Star des Abends erhofft hatte.
Mit ihrem gut fundierten Mezzo füllt Elina Garanca zwar mühelos die Philharmonie, aber auf dem farbreichen Terrain der in ihren Opern schon mal etwas dicker auftragenden Franzosen Camille Saint-Saëns und Charles Gounod scheint die kühle Blonde kaum zu Hause. Im verführerischen „Mon coeur s’ouvre à ta voix“ (Saint-Saëns, „Samson und Dalila“) blieb das Kalkül allgegenwärtig, Samson behält also seine Sinne. Und auch im „Plus grand, dans son obscurité“ aus Gounods „Königin von Saba“ wurde mit Gefühl nicht eben gewuchert. Auch das Abdunkeln der Stimme half schwerlich weiter.
Aber die Verwandlung kam nach der Pause, la Garanca schlüpfte in ihre Carmen – und agierte wie befreit auf Bizets Paradekissen selbstbewusster Sopran-Heroinen. Denn diese herrlich perfide Mischung aus Fatalistin und emanzipiertem Vollweib samt klug dosierter Erotik befördert die ewige Castagnetten-Klöpplerin mit der rutschenden Bluse direkt in die Gegenwart. Und gut, dass Garancas helles Haar diesmal nicht unter dem üblichen Opern-Pech-Mopp verschwinden musste.
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